Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
Vom Netzwerk:
gewesen. Zum Weihnachtsmarkt und zur
»Hendsemer Art«, einer Ausstellung der ansässigen Künstler. Eine kleine,
gemütlich wirkende Burg, die man heute für Feste und Feierlichkeiten nutzte und
bei der nur noch wenig an vergangene Grausamkeiten erinnerte.
    Doch davon waren auch hier die Menschen nicht verschont geblieben.
So war der letzte männliche Spross der Ritter von Handschuhsheim im zarten
Alter von fünfzehn Jahren elendig an den Folgen einer Verletzung gestorben, die
ihm ein Hirschhorner im Zweikampf zugefügt hatte.
    Eine Mutter, die ihr Kind verlor, das hatte es hier schon einmal
gegeben.
    Der Einsatzleiter kam Maria entgegen.
    »Wir sind so gut wie durch. Hier ist sie nicht. Wäre auch seltsam
gewesen. Das Tor war die ganze Zeit abgeschlossen.«
    Alles nur falscher Alarm?
    In ihrer Jackentasche brummte es. Ihr Handy. Einer von Lindnars
Schatten.
    Karel Lindnar war in die Innenstadt gegangen. Er hatte auf der
Hauptstraße bei Tchibo Kaffee getrunken, dann war er gegenüber in den Kaufhof
eingekehrt, um im Gastronomiebereich ein halbes Hähnchen zu essen. Jetzt
schlenderte er durch die Herrenabteilung und probierte Jacken an.
    »Was macht der? Eine nette Shoppingtour?«, fragte Maria ungläubig
nach.
    Noch während sie telefonierte, wurden draußen vor dem Burgtor
Stimmen laut. Wortfetzen waren zu hören. Gemeindehaus. Rote Jacke. Boden.
    Eine Frau kam in den Innenhof, ein rotes Strickjäckchen in der Hand.
    »Die lag hinten am Gemeindehaus, bei der Friedenskirche, auf dem
Rasen.«
    Es dauerte keine Minute, und ganz Handschuhsheim schien in Bewegung
zu sein. Der Tross von Beamten, der Menschenpulk vom Vorplatz, alles, was Beine
hatte, strömte in die schmale Straße, die am Burggraben entlang zur
Friedenskirche führte.
    Das Gemeindehaus war nur ein paar hundert Meter von der Burg
entfernt. Ein Bau mit großen gläsernen Türen und bodentiefen Fenstern, davor
ein Platz, auf dem bei Gemeindefesten gesungen und Flammkuchen gebacken wurde,
seitlich zur Straße hin eine Rasenfläche mit einer Schaukel.
    Sie sperrten das Areal ab.
    Maria hätte im Nachhinein nicht mehr sagen können, wie viel Zeit
vergangen war. Ihr kam es vor wie eine Ewigkeit, und doch waren es
wahrscheinlich nur wenige Minuten, bis der Suchhund bellte.
    »Hierher! Hier, da unten!«, rief einer der Beamten.
    Er stand vor einer Treppe, die links am Gebäude in die Tiefe führte.
    Die Männer liefen zusammen, Maria hastete zu ihnen und drängte sich
nach vorn.
    Vor einer Tür am Ende der Treppe sah sie den kleinen Körper. In
einer Ecke, den Kopf nach unten gesenkt.
    »Julie!«
    Das Kind regte sich nicht.
    Langsam ging Maria hinunter. Stufe um Stufe, den Blick auf das Kind
geheftet. Laub hatte sich auf der Treppe gesammelt und verströmte den Geruch
von Herbst und Verwesung.
    Süße Maid. Werd
dich umfangen, dich berühren, ins Reich der Schatten dich entführen.
    Sie beugte sich zu dem reglosen Körper, legte ihre Hand auf die
kleine Schulter.
    »Julie!«
    Der Lockenkopf bewegte sich, hob sich, vorsichtig, nur ein paar
Zentimeter, gerade so viel, dass Julie einen Blick auf Maria erhaschen konnte.
    »Nicht schimpfen«, wimmerte das Mädchen.
    »Nein, ich schimpfe nicht. Hier schimpft niemand, keine Sorge.«
    Stimmen oben an der Treppe: »Sie lebt!«
    Sofort vergrub Julie wieder den Kopf.
    »Oma ist bestimmt sauer.« Sie weinte.
    Maria redete auf das Kind ein, nahm es vorsichtig auf den Arm. Julie
klammerte sich angstvoll an sie, und erst als Maria ihr versprach, dass sie
ihre Mutter im Krankenhaus besuchen würden und Julie in einem richtigen
Polizeiauto mitfahren durfte, wich die Spannung aus dem kleinen Körper.
    Julie brauchte ein bisschen Zeit, aber als sie einmal Vertrauen zu
Maria gefasst hatte, sprudelte es nur so aus ihr heraus.
    Sie hatte, als sie durch die Lücke zwischen den Büschen wieder im
Garten ihrer Großmutter angekommen war, eine Katze auf dem Weg hinter dem Zaun
entdeckt. Julie war zum Tor hinaus, zur Katze, und als die vor dem Kind Reißaus
genommen hatte, war Julie in den Sinn gekommen, noch einmal kurz im Grahampark
nachzusehen, ob ihre Freundinnen dort waren.
    Ein überschaubarer Park, der in der Ortsmitte gegenüber der Tiefburg
lag. Ein kleines Schlösschen in freundlichem Maisgelb, jahrhundertealte Bäume
und ein Spielplatz, der für die Handschuhsheimer Kinder ein beliebter
Treffpunkt war.
    Sie hatte es tatsächlich geschafft, den Weg dorthin zu finden, aber von
ihren Freundinnen war keine da. Zurück fand Julie

Weitere Kostenlose Bücher