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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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— es will mir gar nicht über die Lippen — der Feigheit beschuldigt, der Untätigkeit in dieser Cacafuego- Sache. Mein erster Impuls war, eine Erklärung von ihm zu verlangen und natürlich Satisfaktion. Aber unsere Position ist so höllisch kompliziert — er würde auf jeden Fall den kürzeren ziehen. Denn wenn ich ihn niederstrecke, tja, dann ist es aus mit ihm. Und umgekehrt, wenn er mich tötet, dann fliegt er aus der Navy, bevor er auch nur piep sagen kann, was auf dasselbe hinausläuft, jedenfalls für ihn.«
    »Ja, die Marine ist sein Leben.«
    »Und die Sophie bliebe in beiden Fällen verwaist zurück ... Verdammt, was ist der Mann doch für ein Narr! Andererseits ist er der beste Erste, den man sich wünschen kann — streng, aber kein Sklaventreiber, und ein guter Seemann; um den Alltagsbetrieb an Bord muß ich mich bei ihm überhaupt nicht kümmern. Deshalb sage ich mir lieber, daß er's nicht so gemeint hat.«
    »Ganz bestimmt hat er Ihren Mut nicht in Zweifel gezogen.«
    »Hat er das nicht?« Jack sah Stephen aufmerksam ins Gesicht und balancierte dabei seine Perücke auf der offenen Hand. Nach einer Pause fragte er: »Möchten Sie mit mir bei den Hartes zu Abend essen? Ich muß hingehen und wäre froh über Ihre Gesellschaft, wenn Sie nicht schon anderweitig engagiert sind.«
    »Abendessen?« rief Stephen überrascht, als sei diese Mahlzeit eben erst erfunden worden. »Abendessen? O ja, ich bin geschmeichelt — entzückt.«
    »Sie haben nicht zufällig einen Spiegel hier, oder?«
    »Nein. Nein, hab ich nicht. Aber in Mr. Floreys Zimmer hängt einer. Wir können auf dem Weg hinunter dort hineinschauen.«
    Bei dem unverhohlenen Behagen, mit dem er seine Ausgehuniform und seine goldene Epaulette angelegt hatte, war Jack nie auf den Gedanken gekommen, sich um sein gutes Aussehen zu sorgen. Aber jetzt meinte er, nachdem er lange und nachdenklich in den Spiegel gestarrt hatte: »Ich bin wohl eher ein abstoßender Anblick, wie?«
    »Ja«, sagte Stephen nachdrücklich, »ja, das sind Sie ganz sicher. Sehr sogar.«
    Bevor sie in den Hafen einliefen, hatte Jack sich auch die restlichen Haare abgeschnitten und später eine Perücke gekauft, um seine Stoppeln zu bedecken. Aber es gab nichts, womit er sein rotes, verbranntes Gesicht hätte verbergen können, das trotz Stephen Maturins Heilsalbe auch noch unter der Sonne gelitten hatte; oder seine geschwollene Stirn- und Augenpartie, wo die Prellungen jetzt das gelbe Stadium erreicht hatten, mit blauen Ringen außen herum. Alles in allem ähnelte sein linkes Profil stark dem Hinterteil eines Großen Westafrikanischen Mandrills.
    Als sie ihre geschäftlichen Angelegenheiten im Hause des Prisenagenten geregelt hatten (höchst zuvorkommend empfangen mit breitem Lächeln und vielen Verbeugungen), begaben sie sich zu ihrer Abendeinladung. Jack überließ Stephen der Betrachtung eines Laubfrosches neben dem Springbrunnen im Patio und wandte sich Molly Harte zu, die ihn im kühlen Empfangszimmer allein erwartete.
    »Du liebe Güte, Jack!« rief sie, ihn anstarrend. »Eine Perücke?«
    »Nur vorübergehend«, versicherte Jack und schritt mit offenen Armen schnell auf sie zu.
    »Sei vorsichtig«, flüsterte sie und glitt hinter einen mit Jaspis und Onyx eingelegten Marmortisch, drei Fuß breit, siebeneinhalb Fuß lang und fast zwei Tonnen schwer, »die Dienerschaft!«
    »Heute abend im Sommerhaus?« flüsterte er.
    Stumm, aber mit beredtem Gesicht schüttelte sie den Kopf — »indisponiert« — und setzte leise, klar und vernünftig hinzu: »Laß mich dir etwas über die Leute erzählen, die nachher zum Essen kommen, die Ellis. Sie stammt aus guter Familie, glaube ich, jedenfalls besuchte sie Mrs. Capells Pensionat, genau wie ich. Natürlich ein viel älterer Jahrgang als ich, zu meiner Zeit gehörte sie schon zu den großen Mädchen. Und dann heiratete sie diesen Mr. Ellis aus der Londoner City. Er ist ein gebildeter, wohlerzogener Mann, enorm reich, und verwaltet sehr geschickt unser Vermögen. Ich glaube, Kapitän Harte ist ihm irgendwie besonders verpflichtet. Und ich kenne Laetitia schon mein halbes Leben lang. Also besteht zwischen uns ein doppeltes — wie soll ich sagen? — eine doppelt enge Beziehung. Die Ellis wollen, daß ihr Junge zur Marine geht, deshalb wäre es mir eine große Freude, wenn ...«
    »Ich würde alles in meiner Macht Stehende tun, wenn ich dir damit Freude bereiten kann«, versicherte Jack mit Nachdruck. Die Worte unser Vermögen hatten

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