Kurs auf Spaniens Kueste
einfallen ließ, bei einer Flottenschlacht in Kiellinie nur seinem eigenen Kopf, seiner individuellen Taktik zu folgen? Nein, das war völlig undenkbar, solange kein Wunder geschah. Captain Aubreys augenblickliche Führung ließ jedenfalls eine Menge zu wünschen übrig.
Lord Keiths Ansprache klang fest, objektiv und sehr präzise in Fakten und Wortwahl. Anfangs saß Jack nur beschämt und nervös da und litt stumm; doch als der Lord immer weitersprach, spürte er ein Aufflackern in seinem Herzen oder, ein bißchen tiefer, das Brodeln eines heißen Geysirs der Wut, die ihn zu übermannen drohte. Deshalb senkte er den Kopf, damit man ihm diese Aufwallung nicht an den Augen ansah.
»Andererseits«, fuhr Lord Keith fort, »besitzen Sie eine Eigenschaft, die für einen Kommandanten ungemein wichtig ist: Sie haben Glück. Keiner meiner anderen Kreuzer hat so unter der feindlichen Handelsschiffahrt gewütet wie Sie, keiner hat auch nur halb so viele Prisen erbeutet. Deshalb werde ich Sie nach Ihrer Rückkehr von Alexandria wieder mit einem unabhängigen Einsatz betrauen.«
»Danke, Mylord.«
»Das wird zwar einige Eifersucht erregen, auch ein gewisses Maß an Kritik; aber ein Glückspilz bleibt uns selten lange erhalten — jedenfalls nach meiner Erfahrung —, und wir wollen diesen Vorzug nützen, solange Sie ihn aufweisen.«
Jack bekundete relativ gewandt seine Dankbarkeit für die guten Ratschläge des Admirals, empfahl sich Lady Keith ergebenst — von Herzen ergeben, falls er so sagen durfte — und zog sich zurück. Aber das Feuer in seiner Brust brannte trotz des versprochenen Sondereinsatzes immer noch so heiß, daß er sich die höflichen Abschiedsworte nur mühsam abringen konnte; und als er die Tür hinter sich schloß, machte er ein so wildes Gesicht, daß der Wachtposten sogleich statt seiner bisherigen Miene wissender Ironie die stumme, taube, hölzerne des Stoikers aufsetzte.
Wenn dieser Knirps Harte glaubt, daß er mir gegenüber den gleichen Ton anschlagen kann, sagte sich Jack, als er auf die Straße stürmte und dabei einen ungesehenen Bürger Mahóns grob gegen die Hauswand schleuderte, dann drehe ich ihm die Nase aus dem Gesicht, und zur Hölle mit der ganzen Marine.
»Mercy, meine Teure«, brüllte er beim Eintritt in die Crown, »bring mir ein Glas vino , sei ein gutes Mädchen, und ein copito aguardiente ... Der Teufel hole alle Admiräle«, schloß er, als der junge, grüne, blumige Wein ihm kühl und lindernd durch die Kehle rann.
»Aber, liebster capitano «, mahnte Mercedes, ihm Staub von den Aufschlägen bürstend, »er ist doch so ein goldiger alter Admiral und läßt Sie wieder Prisen kapern, wenn Sie von Alexandria zurück sind.«
Jack bedachte sie mit einem schrägen Blick, knurrte: »Mercy, querido , wenn du nur halb soviel über die spanischen Einsätze wüßtest wie über unsere, wie glücklich, felix , würdest du mich damit machen«, kippte den feurigen Brandy hinunter und rief nach mehr Wein, diesem ehrlichen, besänftigenden Gesöff.
»Ich habe ein Tantchen«, sagte Mercedes, »das weiß eine Menge.«
»So, so, ein Tantchen hast du, meine Liebe.« Jack küßte sie zerstreut und drückte sich den Hut fester auf seine neue Perücke. »Davon mußt du mir heute abend mehr erzählen. Aber jetzt zu diesem Mickerling.« Doch wie der Zufall es wollte, empfing Kapitän Harte ihn mit ausnehmender Höflichkeit, gratulierte ihm zu dem Handstreich in Almoraira — »diese Batterie war ein verdammtes Ärgernis, hat die Pallas leck geschossen und der Emerald die Maststengen abrasiert; hätte schon längst gesprengt werden müssen« — und lud ihn zum Abendessen ein. »Bringen Sie auch Ihren Arzt mit, ja? Meine Frau hat mir eigens aufgetragen, ihn einzuladen.«
»Er kommt bestimmt mit Freuden, wenn er nicht schon vergeben ist. Mrs. Harte ist doch hoffentlich bei guter Gesundheit? Ich muß ihr noch meine Aufwartung machen.«
»Oh, es geht ihr gut, danke bestens. Aber heute vormittag treffen Sie sie nicht an, sie ist mit Oberst Pitt ausgeritten. Wie sie’s in dieser Hitze über sich bringt, ist mir ein Rätsel. Übrigens könnten Sie mir einen Gefallen tun.« Worauf Jack ihn nur stumm und erwartungsvoll ansah, ohne sich festzulegen. »Mein Bankier möchte seinen Sohn zur Marine schicken — und Sie brauchen einen Kadetten. Ganz einfach, nicht? Der Vater ist ein höchst respektabler Bursche, hat eine Schulfreundin Mollys geheiratet. Sie werden die beiden heute abend bei uns
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