Kurs auf Spaniens Kueste
an Deck, ohne noch etwas zu sagen.
Die Sophie glitt flott durch die Seen, ohne mehr Segel gesetzt zu haben und ohne jede erkennbare Absicht, zu der Tartane aufzuschließen: eine zielbewußte, nüchterne Handelsschnau, unterwegs nach Barcelona. Eine halbe Stunde später zeigte sich, daß sie anscheinend mit vier Kanonen bewaffnet und knapp an Leuten war (der Koch mußte bei Manövern mit zupacken). Alles in allem wirkte sie ziemlich schlampig und völlig neutral. Aber dann, als die Tartane am südlichen Ende ihres Schlags klar zur Wende machte, setzte die Sophie blitzschnell ihre Stag- und Bramsegel und schoß mit überraschend hoher Fahrt auf ihr Opfer zu — so überraschend für die Tartane, daß diese ihr Wendemanöver verpatzte und auf den alten Bug zurückfiel.
Beim Abstand von einer halben Meile pointierte Mr. Day mit einer Kanone (seine liebste Beschäftigung) und setzte ihr einen Schuß vor den Bug. Darauf drehte sie mit abgefierter Rah bei und wartete, bis die Sophie längsseits kam und Jack hinüberrief, der Skipper möge an Bord kommen.
»Er bedauert, mein Herr, aber er kann nicht. Er käme mit Freuden, aber der Boden seiner Barkasse ist durchgebrochen«, ließ er Jack durch den Mund einer hübschen jungen Frau sagen, vermutlich seine Angetraute oder deren Äquivalent. »Außerdem ist er nur ein Neutraler aus Ragusa, in Ballast unterwegs zu seinem Heimathafen.« Der dunkelhaarige kleine Mann neben ihr klopfte nachdrücklich auf den Boden des umgedrehten Bootes, der tatsächlich ein Leck aufwies.
»Welche Tartane?« rief Jack.
»Pola« , antwortete die junge Frau.
Mit bösem Gesicht stand Jack da und überlegte. Die beiden Schiffe hoben und senkten sich im Seegang, und bei jeder Aufwärtsbewegung tauchte die Küste hinter der Tartane auf. Jacks Laune verschlechterte sich noch, als er im Süden ein vor dem Wind segelndes Fischerboot entdeckte, mit einem weiteren dahinter: scharfäugige Beobachter. Schweigend starrte Sophies Besatzung die Frau an, leckte sich die Lippen und schluckte krampfhaft.
Die Tartane fuhr nicht in Ballast, das war eine freche Lüge. Und er bezweifelte auch, daß sie aus Ragusa stammte. Aber Pola — war das ihr richtiger Name?
»Setzt den Kutter aus«, befahl er. »Mr. Dillon, wer an Bord spricht Italienisch? John Baptist ist doch Italiener.«
»Und Abram Codpiece, Sir — das ist nur ein Spitzname.«
»Mr. Marshall, gehen Sie mit Baptist und Codpiece hinüber und überprüfen Sie diese Tartane — sehen Sie sich ihre Papiere an — werfen Sie einen Blick in den Laderaum — durchsuchen Sie notfalls auch die Kabinen.«
Der Kutter wurde ausgesetzt und vorsichtig vom frischen Anstrich des Rumpfes abgehalten; schwerbewaffnete Männer ließen sich von der Großrahnock an einer Leine ins Boot hinab und hätten sich lieber den Hals gebrochen als die glänzende neue Farbe zerkratzt.
Sie pullten hinüber und enterten die Tartane; Marshall, Codpiece und John Baptist verschwanden in der Kajüte. Bald hörte man eine Frauenstimme wütend kreischen, dann folgte ein durchdringender Schrei. Die Sophies wurden unruhig und wechselten erregte Blicke.
Marshall kam wieder an Deck. »Was haben Sie mit der Frau angestellt?« rief Jack.
»Hab sie niedergeschlagen, Sir«, antwortete Marshall ungerührt. »Diese Tartane kommt genausowenig aus Ragusa wie ich. Der Skipper radebrecht nur, sagt Codpiece, und kann überhaupt kein richtiges Italienisch. Die Dame hatte einen Satz spanischer Papiere in ihrem Ausschnitt, und der Laderaum ist voller Tuchballen für Genua.«
»Was für eine Gemeinheit, eine Frau so brutal niederzuschlagen«, sagte James laut. »Und mit diesem Grobian müssen wir die Messe teilen.«
»Warten Sie ab, bis Sie verheiratet sind, Mr. Dillon«, sagte der Zahlmeister schmunzelnd.
»Gut gemacht, Mr. Marshall«, lobte Jack. »Sehr gut sogar. Wie viele Leute? Welchen Eindruck machen sie?«
»Acht, Sir, mit den Passagieren: häßliche, aufsässige Strolche.«
»Na, dann schicken Sie sie herüber. Mr. Dillon, eine Prisenbesatzung aus gestandenen Männern, bitte.«
Noch während er sprach, fielen die ersten Regentropfen, und mit dem Regen kam ein Geräusch, das jeden herumfahren ließ, so daß alle Nasen nach Nordost zeigten. Das Geräusch war kein Donner. Es war Artilleriefeuer.
»Beeilung mit den Gefangenen!« rief Jack. »Mr. Marshall, Sie bleiben drüben. Ist es Ihnen unangenehm, auf die Frau aufzupassen?«
»Macht mir nichts aus, Sir«, sagte Marshall.
Fünf Minuten
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