Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
Vom Netzwerk:
Kommandant läßt fragen, ob Sie bitte an Deck kommen und sich die Küste ansehen würden.«
    »Links vom Rauch, im Süden, das ist der Berg Montjuich mit der großen Burg auf seinem Gipfel; und der Vorsprung zur Rechten ist Barceloneta«, sagte Stephen. »Was sich da hinter der Stadt erhebt, ist der Tibidabo; dort sah ich als Junge meinen ersten Rotfußfalken. Folgt man der Linie vom Tibidabo durch die Kathedrale zum Meer, stößt man auf Santa Creu mit seinem großen Handelshafen; und links davon liegt das Becken mit den Kriegsschiffen und Kanonenbooten.«
    »Sind es viele Kanonenboote?«
    »Ich denke, schon. Aber gezählt habe ich sie nie.«
    Jack nickte und ließ den Blick aufmerksam durch die Bucht schweifen, um sich jedes Detail einzuprägen. Dann beugte er sich vor und rief: »An Deck! Laßt ihn jetzt hinunter, aber langsam. Babbington, Vorsicht mit der Leine.«
    Stephen wurde an seinem luftigen Platz im Masttopp zuerst sechs Zoll angehoben, und dann sank er mit gefalteten Händen, damit er nicht unwillkürlich nach den vorbeigleitenden Tauen, Rahen und Blöcken griff, im gleichen Tempo wie der affenartig behende Babbington, der ihn mit einer Sorgleine ans Luv-Backstag heranholte, sank durch die gähnende Leere hinunter aufs Deck. Dort befreiten sie ihn aus dem Kokon, in dem sie ihn in die Takelage gehievt hatten, denn keiner an Bord hegte auch nur das mindeste Zutrauen zu seinen seemännischen Fähigkeiten.
    Zerstreut bedankte er sich und ging unter Deck, wo Tom Simmons von den Gehilfen des Segelmachers in seine Hängematte eingenäht wurde.
    »Wir warten nur noch auf die Kugeln, Sir«, sagten sie.
    Und wie aufs Stichwort erschien Mr. Day mit einem Netz voller Kanonenkugeln.
    »Ich wollte ihm diesen letzten Dienst selbst erweisen«, sagte der Stückmeister und arrangierte das Gewicht mit geübter Hand zu Füßen des jungen Mannes. »Wir waren zusammen auf der Phoebe. Schon damals war er nie so recht gesund«, setzte er hinzu.
    »Stimmt, Tom war keiner der Stärksten«, bestätigte ein Segelmachergehilfe und zerbiß den Faden mit seinem abgebrochenen Schneidezahn.
    Diese Worte und eine gewisse Zurückhaltung im Benehmen waren als Trost für den Arzt gedacht, der einen Patienten verloren hatte. Trotz Stephens hartnäckiger Bemühungen hatte sich Simmons' viertägiges Koma immer weiter vertieft, bis es das letzte Stadium erreichte.
    »Sagen Sie mir, Mr. Day«, begann er, als die Segelmacher gegangen waren, »wieviel hat er eigentlich getrunken? Ich habe seine Freunde gefragt, aber die antworten mir nur ausweichend, lügen mich sogar an,«
    »Klar tun sie das, Sir, es ist ja verboten. Also, wieviel hat Tom getrunken? Tja, er war ein beliebter Bursche, deshalb würde ich sagen, er bekam ihre ganzen Rationen, vielleicht abzüglich zwei oder drei Schlückchen für eine feuchtere Kehle. Also beinahe einen Liter.«
    »Aha, einen Liter. Das ist gewiß eine ganze Menge, aber es überrascht mich, daß ein Mann daran sterben kann. Bei einer Mischung von drei zu eins wären das ungefähr sechs Unzen Rum gewesen — berauschend, aber doch nicht tödlich.«
    »Herrje, Doktor ...« Der Stückmeister betrachtete ihn mit mitleidiger Zuneigung. »Das war doch nicht der Grog. Das war der Rum.«
    »Ein Liter Rum?« rief Stephen aus. »Purer Rum?«
    »Ganz recht, Sir. Jedem Mann stehen pro Tag eine halbe Pinte Rum zu, in zwei Portionen, das macht pro Backschaft etwa einen Liter Rum zum Mittag- und zum Abendessen. Dazu kommt dann das Wasser. Du meine Güte«, leise lachend tätschelte er das leblose Bündel auf den Planken zwischen ihnen, »wenn sie jedesmal nur eine halbe Pinte Zwei-Drittel-Grog bekämen, hätten wir bald eine blutige Meuterei am Hals. Und sie wären im Recht.«
    »Eine halbe Pinte reinen Alkohol pro Mann und Tag?« Stephen errötete vor Empörung. »Ein großes Wasserglas voll? Darüber muß ich mit dem Kommandanten sprechen. Ich bestehe darauf, daß das Zeug künftig über Bord gekippt wird.«
    »Und somit übergeben wir seinen Leichnam der Tiefe«, sagte Jack und schloß die Bibel.
    Tom Simmons' Kameraden hoben das eine Ende der Gräting an; rutschendes Segeltuch scheuerte leise über Holz, es spritzte ein wenig, und eine lange Reihe Luftblasen stieg im klaren Wasser nach oben.
    »Und jetzt, Mr. Dillon«, sagte Jack in einem Ton, in dem die Formalität der Bestattungszeremonie nachklang, »können wir mit den Waffen und dem Anstreichen weitermachen.«
    Die Slup lag beigedreht gut unter der Kimm von Barcelona,

Weitere Kostenlose Bücher