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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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unseren Puls noch einmal messen.«
    »Dieser englische Doktor ist ein Irrer«, erzählte der Steward später in der Kombüse. »Ein vom Teufel besessener Irrer. Und unsrer ist auch nicht viel besser.«
    »Ich behaupte nicht, daß es zwingend ist«, sagte Dr. Ramis. »Immerhin scheint es mir jedoch ungemein interessant. Lassen Sie uns die Sache wiederholen, diesmal verstärkt durch Beleidigungen und Beschimpfungen, aber ohne körperliche Bewegungen, denn diese könnten für eine höhere Pulsfrequenz zumindest teilweise verantwortlich sein. Sie werten unser kleines Experiment als reziproken Beweis für Ihre Annahme, hab ich recht? Höchst interessant.«
    »Nicht wahr?« meinte Stephen. »Auf diesen Gedankengang hat mich das Schauspiel unserer Kapitulation gebracht — und manches andere Erlebnis. Aber Sie, Sir, waren mit Ihrer größeren Erfahrung in Marinedingen zweifellos bei viel mehr derart aufschlußreichen Ereignissen zugegen als ich.«
    »Kann schon sein«, räumte Dr. Ramis ein. »Zum Beispiel hatte ich bereits die Ehre, Ihr Gefangener zu sein, und das nicht weniger als viermal. Deshalb«, setzte er mit einem Lächeln hinzu, »sind wir besonders froh, Sie jetzt bei uns zu haben. So etwas kommt nicht so häufig vor, wie wir’s uns wünschen würden ... Aber darf ich Ihnen noch eine Scheibe Brot vorlegen, eine halbe Scheibe Brot — mit etwas Knoblauch? Leicht eingerieben mit dieser heilsamen, entzündungshemmenden Zehe?«
    »Zu freundlich, verehrter Kollege. Gewiß sind Ihnen dann auch die starren Mienen der Männer bei ihrer Gefangennahme aufgefallen. Sie sehen immer so stoisch aus, nicht wahr?«
    »Ausnahmslos: Zeno, im Verein mit seiner ganzen Schule.«
    »Und hatten Sie nicht den Eindruck, daß diese Verdrängung, diese Unterdrückung aller äußeren Anzeichen — aller, wie ich glaube, Verstärker, wenn nicht sogar Mitverursacher ihrer Not —, meinen Sie nicht, daß dieser stoische Ausdruck der Gleichgültigkeit tatsächlich ihre Pein linderte?«
    »So könnte es durchaus gewesen sein, ja.«
    »Ich denke, es ist so. Wir hatten Männer darunter, die ich wirklich genau kenne, und ich bin überzeugt, daß ohne dieses Ritual der Reduktion, wie man es nennen könnte, ihr Herz gebrochen ...«
    »Monsieur, monsieur, monsieur« , rief Dr. Ramis' Diener, »die Bucht ist voller Engländer!«
    Oben auf dem Hüttendeck stießen sie zu Kapitän Palliere und seinen Offizieren. Alle beobachteten die Manöver der Pompée , der Venerable , der Audacious und, etwas weiter entfernt, die der Caesar , der Hannibal und der Spencer , die sich mit dem leichten, unsteten Westwind mühsam durch die starken, unberechenbaren Strömungen arbeiteten, welche die Enge zwischen Atlantik und Mittelmeer so gefährlich machen. Die britischen Schiffe waren alles Vierundsiebziger, mit Ausnahme von Sir James' Flaggschiff, der Caesar , die mit achtzig Kanonen bewaffnet war.
    Jack hielt sich mit scheinbar unbeteiligter Miene etwas abseits der französischen Offiziere; an der Reling gegenüber stand das restliche Führungskorps der Sophie und versuchte angestrengt, ähnlich taktvoll dreinzublicken.
    »Was meinen Sie, werden sie angreifen?« wandte sich Kapitän Palliere an Jack. »Oder glauben Sie, daß sie vor Gibraltar ankern wollen?«
    Jack blickte übers Wasser zum hohen Affenfelsen hinüber. »Offen gestanden«, antwortete er, »bin ich ganz sicher, daß sie angreifen werden. Und bitte vergeben Sie mir, wenn ich angesichts des herrschenden Kräfteverhältnisses davon überzeugt bin, daß wir alle den Abend in Gibraltar verbringen werden. Ich muß gestehen, daß ich mich von Herzen darüber freue, denn das wird mir gestatten, mich Ihnen gegenüber für die große Zuvorkommenheit erkenntlich zu zeigen, mit der ich hier empfangen wurde.«
    Denn zuvorkommend war er behandelt worden, höchst zuvorkommend — von dem Moment an, als sie den ersten formellen Gruß auf dem Achterdeck der Desaix gewechselt hatten und er vorgetreten war, um dem Sieger seinen Säbel auszuhändigen. Kapitän Palliere hatte ihn nicht angenommen, sondern mit schmeichelhaften Worten über Sophies Heldenmut darauf bestanden, daß Jack ihn weiterhin trug.
    »Tja«, sagte Kapitän Palliere. »Wie dem auch sei, wir wollen uns nicht das Frühstück vergällen lassen.«
    »Signal vom Flaggschiff, Sir«, meldete ein französischer Offizier. » Verholen Sie sich so dicht wie möglich unter die Küstenbatterien.«
    »Bestätigen und ausführen, Dumanoir«, befahl sein Kommandant.

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