Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
Vom Netzwerk:
überlassend. Noch immer erwiderte sie das Feuer, aber nicht mehr lange. Der letzte ihrer Masten kam von oben, und schließlich strich sie die Flagge.
    »Ein heißer Morgen, Captain Aubrey«, empfing ihn Kapitän Palliere.
    »Jawohl, Sir«, antwortete Jack. »Ich hoffe nur, daß wir beide nicht zu viele Freunde verloren haben.«
    Das Achterdeck der Desaix war verwüstet, Blutlachen sammelten sich vor den Speigatten. Die Finknetze hingen zerfetzt herab, und achtern vom Großmast waren vier Kanonen umgestürzt. Das Schutznetz über dem Achterdeck bog sich unter dem Gewicht herabgefallener Splitter und Riggteile. Der Rumpf saß mit drei oder vier Grad Schlagseite auf felsigem Grund, und falls auch nur der geringste Seegang aufkam, mußte er in Stücke geschlagen werden.
    »Viele, viel zu viele«, seufzte Kapitän Palliere. »Aber die Formidable und die Indomptable haben noch mehr gelitten — auf beiden sind die Kommandanten gefallen ... Heda, was treiben sie dort auf dem eroberten Schiff?«
    Die Flagge der Hannibal stieg wieder nach oben, ihre eigene Flagge, nicht die französische. Aber sie war verkehrt herum gesetzt, mit der Unionsgösch nach unten.
    »Wahrscheinlich haben sie vergessen, eine Trikolore mitzubringen, als sie das Schiff in Besitz nahmen«, fuhr Kapitän Palliere fort und wandte sich ab, um die Befehle zu geben, die für das Freiwarpen seines Schiffes nötig waren. Bald darauf kehrte er zu Jack an die zersplitterte Reling zurück und fragte, den Blick auf die Flottille kleiner Boote gerichtet, die von Gibraltar und der Slup Calpe zur Hannibal strebten: »Sie glauben doch nicht, daß sie das Schiff zurückerobern wollen, oder? Was haben sie bloß vor?«
    Jack wußte nur zu genau, was sie vorhatten: Bei der Royal Navy war die umgekehrt gesetzte Nationalflagge ein verzweifeltes Notsignal. Als die Leute auf der Calpe und in Gibraltar es gesehen hatten, hatten sie angenommen, daß die Hannibal wieder freigekommen war und nun Schlepphilfe anforderte. Da hatten sie jedes verfügbare Boot mit allen verfügbaren Helfern bemannt — mit überzähligen Matrosen und vor allem mit den sachkundigen Handwerkern der Werft.
    »Ja«, sagte er mit der ganzen Ernsthaftigkeit des Seemanns, der einen anderen bluffte, »das beabsichtigen sie wohl. Aber wenn Sie dem ersten Boot einen Warnschuß vor den Bug setzen, drehen sie bestimmt ab. Dann wissen sie, daß alles vorbei ist.«
    »Ah, das leuchtet mir ein«, sagte Kapitän Palliere. Ein Achtzehnpfünder wurde quietschend herumgedreht und auf das vorderste Boot gerichtet. »Aber wenn ich’s mir recht überlege«, fuhr der französische Kommandant grinsend fort, mit der Rechten das Zündloch abdeckend, »ist es vielleicht doch besser, wir schießen nicht.« Er entließ die Stückmannschaft, und die britischen Boote legten eins nach dem anderen bei der Hannibal an, wo die Franzosen ihre Besatzungen diskret unter Deck führten. »Machen Sie sich nichts daraus«, sagte Kapitän Palliere und klopfte Jack auf die Schulter. »Der Admiral signalisiert. Kommen Sie mit an Land, dann suchen wir anständige Quartiere für Sie und Ihre Leute, bis wir die Desaix wieder seeklar haben.«
    Das den Offizieren der Sophie zugewiesene Quartier, ein Haus hoch über den Ausläufern von Algeciras, besaß eine geräumige Terrasse zur Bucht hinaus, von der man Gibraltar zur Linken, Cabrita Point zur Rechten und die ferne afrikanische Küste verschwommen im Süden liegen sah. Der erste Mensch, den Jack dort traf, war Kapitän Ferris von der Hannibal ; die Hände auf dem Rücken verkrampft, stand er da und blickte auf sein entmastetes Schiff hinunter. Jack war bei zwei Einsätzen sein Bordkamerad gewesen und hatte erst im Vorjahr mit ihm gespeist, und doch erkannte er den Kapitän kaum wieder, so erschreckend war er gealtert und geschrumpft. Als sie das Gefecht noch einmal Revue passieren ließen, die verschiedenen Manöver, unglücklichen Zufälle und durchkreuzten Absichten heraufbeschworen, sprach Ferris langsam, mit seltsam schwerer Zunge, als beträfe das Geschehen nicht ihn selbst und sei gar nicht real.
    »Sie waren also an Bord der Desaix , Aubrey«, sagte er schließlich. »Wurde sie stark beschädigt?«
    »Das schon, Sir, aber nicht bis zur Manövrierunfähigkeit — jedenfalls soweit ich sehen konnte. Sie bekam nicht viele Treffer unterhalb der Wasserlinie ab, und keiner ihrer Untermasten ist ernsthaft geschwächt. Wenn sie nicht volläuft, werden die Franzosen sie bald wieder seeklar haben

Weitere Kostenlose Bücher