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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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hätten sogar Musketenkugeln sie erreichen können. Die Franzosen auf dem Vorschiff waren deutlich zu unterscheiden: Matrosen, Soldaten, Offiziere — ein Mann mit Holzbein. Was für prächtig geschnittene Segel, dachte Jack, und darüber fiel ihm auch die Antwort auf seine Frage ein: O Gott, sie wollen uns mit Kartätschen beharken! Deshalb hatte der Franzose so lautlos die Lücke geschlossen. Jack trat ans Schanzkleid. Über die Finknetze gebeugt, ließ er sein Päckchen und den Postsack ins Wasser fallen und sah ihnen nach, wie sie sanken.
    Auf dem Vorschiff der Desaix entstand plötzlich Bewegung, wohl als Reaktion auf einen neuen Befehl. Jack trat ans Ruder, übernahm das Rad aus den Händen des Quartermasters und blickte über seine linke Schulter zurück. In den Speichen spürte er Sophies Bewegungen wie die eines lebenden Wesens. Und er sah, daß die Desaix zur Drehung ansetzte — so wendig wie ein Kutter. Drei Herzschläge, und die siebenunddreißig Kanonen dieser Rumpfseite hatten ihr Ziel aufgefaßt. Jack riß das Ruder herum. Das Aufbrüllen der Breitseite und das Krachen, mit dem Sophies Großbramstenge und Fockbramrah brachen, kamen fast gleichzeitig — dann folgte ein Hagel aus Blöcken, gerissenen Leinen, Splittern, das gellende Klirren, mit dem Schrotkörner die Schiffsglocke trafen ... Und danach Stille. Die meisten Kugeln der Desaix schlugen einige Meter vor dem Bug der Slup ins Wasser, aber die Schrotladungen rissen ihre Segel und ihr Rigg in Fetzen. Die nächste Breitseite mußte ihr den Todesstoß versetzen.
    »Schoten los«, rief Jack und vollendete die begonnene Drehung, stellte sein Schiff in den Wind. »Bonden, streich die Flagge.«

ZWÖLFTES KAPITEL

    DIE ACHTERKAJÜTEN EINES Linienschiffs und einer Kanonenslup unterschieden sich zwar der Größe nach, wiesen aber die gleichen eleganten Kurven auf, die gleiche nach innen geneigte Fensterfront. Bei der Desaix und der Sophie glich sich auch die Atmosphäre: Hier wie dort war es ruhig und gemütlich. Jack saß da und blickte aus den Heckfenstern des Vierundsiebzigers, über die schön geschnitzte Heckgalerie hinweg, bis nach Green Island und Cabrita Point, während Kapitän Christy-Palliere in seiner Skizzenmappe nach einem Aquarell aus Bath kramte; es war bei seinem letzten Aufenthalt entstanden, als er dort gefangengesetzt, aber auf Ehrenwort beurlaubt gewesen war.
    Jetzt hatte ihm Admiral Linois befohlen, zur vereinigten Flotte der Franzosen und Spanier in Cadiz zu stoßen. Diese Order hätte er auch prompt ausgeführt, wenn er nicht in der Straße von Gibraltar erfahren hätte, daß Sir James Saumarez statt mit einem oder zwei Linienschiffen und einer Fregatte mit nicht weniger als sechs Vierundsiebzigern und einem Achtziger die vereinigte Flotte des Gegners beobachtete. Diese Lage verlangte einiges Umdisponieren, deshalb ankerte Linois mit seinem Geschwader hier in der Bucht von Algeciras unter dem Schutz der schweren spanischen Küstenbatterien, gegenüber dem Felsen von Gibraltar.
    Jack wußte über diese Situation Bescheid — schließlich war sie nur allzu offensichtlich — und während Kapitän Palliere in seinen Zeichnungen und Drucken kramte und dabei »Landsdowne Terrace — Clifton — Pump Room« vor sich hin murmelte, sah er im Geist berittene Kuriere zwischen Algeciras und Cadiz hin und her eilen; denn die Spanier besaßen keine Semaphorentürme, diese optischen Telegraphen. Dabei blieb Jacks Blick jedoch auf Cabrita Point geheftet, die äußerste Landspitze der Bucht. Und alsbald sah er dahinter die Mastspitzen und den Toppwimpel eines Linienschiffs vorbeigleiten. Geruhsam beobachtete er sie zwei oder drei Sekunden lang — bis sein Herz plötzlich einen Schlag aussetzte. Instinktiv hatte er den Toppwimpel als britisch erkannt, noch ehe er das mit dem Verstand erfaßte.
    Heimlich warf er Kapitän Palliere einen forschenden Blick zu. Doch dieser rief gerade: »Da ist es ja! Laura Place. Laura Place Nummer sechzehn. Das ist die Adresse, wo meine Christy-Vettern immer absteigen, wenn sie in Bath zur Kur weilen. Und hier, hinter diesem Baum — ohne ihn könnten Sie es genauer erkennen — war mein Schlafzimmerfenster!«
    Ein Steward erschien und begann, den Tisch zu decken. Denn Kapitän Palliere besaß nicht nur englische Vettern und perfekte englische Sprachkenntnisse, sondern auch eine genaue Vorstellung davon, wie das ordentliche Frühstück eines Seemanns auszusehen hatte. Zwei gebratene Enten, eine Schüssel

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