Kurs Minosmond
passieren, daß wir jetzt etwas falsch machen.
Seit ein paar Jahren nun vermute ich, daß wir gar nicht so stabil sind, wie die Zahlen ausweisen. Ich hab nicht wenige Debatten darüber geführt, hab mir ein dutzendmal lang und breit beweisen lassen müssen, daß ich unrecht habe, klar, ich habe mich geärgert, habe weiter gesucht, aber an der falschen Stelle, wie ich heute weiß. Obwohl der Verbrauch materieller Güter längst nicht mehr das Bestimmende ist in unserer menschlichen Gesellschaft, hält die Ökonomie daran fest, es ist ja auch so bequem. Doch ich hab mir immer gesagt: Irgend etwas muß sich ändern, wir sehen es bloß nicht, die Menschheit kommt ohne Veränderung nicht aus, Entwicklung muß stattfinden, Stillstand ist Rückschritt, na, Sie kennen ja sicher diese Redensarten, aber wenn es auch Redensarten sind – es ist was dran.
Jetzt weiß ich, wir haben wie hypnotisiert auf die Produkte gestarrt, das Ziel der Produktion, sozusagen hypnotisiert von unserer eigenen Geschichte. Immer hat es den Menschen an Produkten gemangelt, seit einer Million Jahren und nun ist die Menge der Produkte stabil. Gibt es etwa Schwierigkeiten, die Menschheit zu versorgen? Nein. Nicht mit Produkten. Aber jetzt passen Sie auf: Schwierigkeiten gibt es bei der Versorgung mit Arbeit. Oder sagen wir: Sie entstehen zur Zeit. Also mit Arbeit, die zu dem Menschen paßt, die er sich wünscht, die ihn fordert und fördert, na und so weiter. Das ist Ihnen neu, ja? Jeder kann sich ja in drei Berufen austoben, Hand, Herz und Hirn entwickeln sich in Handwerk, Kunst und Dienst, kenn ich alles, weiß ich alles.
Aber wissen Sie, was passiert? Ich hab’s jetzt aus zehn unterschiedlich strukturierten Kreisen: Der Dienst bleibt sich in der Masse gleich, ist auch klar, hier überwiegt das einfache Pflichtgefühl. Doch ist Ihnen bekannt, daß es im Handwerk eine Tendenz zu komplizierterer und produktiverer Technik gibt? Die Bestellungen weisen es aus. Den Leuten genügt nicht mehr, was sie tun. Sie wollen qualifizierter arbeiten.
Und wissen Sie, was in der Kunst neu auftritt, auch dieses Jahr zum erstenmal signifikant? Die Welt ist voll von Kunstwerken, die Verbände richten Magazine ein, ahnen Sie, wohin das führen kann? Was, wenn die Kunst unattraktiv wird? Dann bricht die gesellschaftliche Struktur zusammen. Wohin mit den schöpferischen Kräften? Und auch das Handwerk, das sich jetzt noch steigern kann, hat in unserer Stabilität Grenzen. Wenn dort ebenfalls der Bedarf gesättigt ist und keine schöpferischen Potentiale mehr gebunden werden?“
Wenzel hatte die ganze Zeit das Gefühl gehabt, diese Ansprache sei direkt an ihn gerichtet, aber das war sie natürlich nicht – nur er und wohl auch Pauline reagierten neuerdings auf derartiges sehr sensibel, konnte es doch mit ihrem Problem durchaus zu tun haben!
Den Arzt allerdings schienen ökonomische Querelen weniger zu interessieren, er fragte jetzt: „Wie haben Sie denn die Attacke empfunden? Haben Sie sogleich das Gefühl gehabt, daß etwas nicht stimmt? Oder schon eine Weile vorher?“
„Ich hab ja schon gesagt: ein plötzlicher Schmerz unterm Brustbein. Da hab ich gleich gedacht, das war’s wohl – denn irgendwie hat man sich ja doch dauernd mit dieser Sache befaßt. Aber vorher – nichts. Nein. Wenn Sie nichts haben?“
„Doch, ich hab was“, sagte der Arzt nachdenklich und betrachtete das Kardiogramm. „Sehen Sie hier…, na ja, das sagt Ihnen nichts…“
„Geben denn die Aufzeichnungen etwas her“, fragte Pauline, weil der Arzt schwieg, „ich meine, über die Natur der Sache, und vor allem, wie man dem vorbeugen kann?“
„Ich sollte mich wohl bei Ihnen bedanken“, sagte der Arzt zu Pauline, „Sie haben ja die ganze Sache eingerührt. Ja, sie geben etwas her. Einen Anfang. Aber jetzt werden wir wohl in allen fünf Metropolen diesen Langzeitversuch durchführen und danach sicherlich weltweit… Aber schon das EEG, sehen Sie mal!“ Er schaltete das von Severin Runge automatisch aufgenommene Enzephalogramm auf einen Bildschirm.
„Das darf doch nicht…“, sagte Pauline aufgeschreckt und verstummte gleich wieder. Auch Wenzel hatte es einen Ruck gegeben.
„Jaja“, sagte der Arzt, „Geronimo-Spindeln.“ Er konnte sich nicht erklären, warum die beiden so aufgeregt waren.
Esther und ihre Mannschaft, eingeschlossen der Herumtreiber Ruben, waren gar nicht böse, wieder einmal auf der Erde zu sein und die Annehmlichkeiten von Sternenstadt zu genießen, wenn
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