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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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sie sich auch von dieser albernen Tastentipperei, wie die meisten die vorgesehenen Computerexperimente nannten, nicht viel versprachen. Außerdem waren sie hier durchaus nicht beschäftigungslos – Esthers Programm sah ja gemeinsame Arbeit mit den Gerätebauern vor, die die Meßinstrumente und -methoden verfeinern sollten.
    Esther und Akito, die theoretischen Köpfe der Experimentalgruppe, fanden den Auftrag des Schlichters besonders bemerkenswert und hatten sich auch mit Sibylles Variation der Bläschen-Formel befaßt. Und noch jemand interessierte sich sehr dafür: Ruben. Vermittelnd zwischen Akito, die sofort voll einsteigen wollte, und Esther, die vor allem die anderen langsam an diese Experimente heranführen wollte, schlug er vor, mit der Wiederholung des letzten Experiments zu beginnen. Die beiden Frauen stimmten schließlich zu, ohne zu wissen, daß Ruben damit bestimmte Hintergedanken verband. Später, so einigte man sich, wollte man auch die dritte Bläschen-Phase zum Gegenstand der Versuche machen, zunächst mit der Originalformel und dann mit der Mohrschen Variation. Die EGI sollte ebenfalls angewandt werden, und zwar gleich von vornherein – wenn schon Experimente, dann auch richtig.
    Das war allerdings einfacher geplant als getan. Obwohl der Raum, von dem aus sie das Experiment führten, in vielem der gewohnten Zentrale des Zollstocks ähnlich war, wollte sich das Ensemblegefühl nicht einstellen. Nach mehreren mißglückten Ansätzen fragte Esther geradeheraus: „Irgendeiner von euch muß etwas gegen diese Experimente haben, anders kann ich mir die Sache nicht erklären. Jetzt aber heraus mit der Sprache!“
    Es war nicht nur einer, wie sich herausstellte, und es war nicht Absicht gewesen, was die EGI hatte im Ansatz scheitern lassen. Sie funktionierte eben nicht, wenn nicht alle überzeugt waren, daß das Unternehmen auch sinnvoll sei.
    „Worum es eigentlich geht“, formulierte schließlich einer die Bedenken vieler, „ist doch die Frage: Tippen wir damit eine andere Welt, einen anderen Kosmos an oder nicht? Das kann doch nur die Wirklichkeit beantworten und nicht eine Maschine, wenn sie auch noch so kompliziert sein mag!“
    Auf Esthers Stirn erschienen Unmutsfalten. „Das gefällt mir nicht“, sagte sie, „das gefällt mir ganz und gar nicht. Aus lauter Theoriefeindlichkeit habt ihr euch innerlich so geringschätzig zu der Sache verhalten, daß ihr gar nicht seht, worum es bei diesen Experimenten geht.“
    „Und worum geht es?“ rief jemand.
    Akito nahm jetzt das Wort, bevor Esther etwas sagen konnte, und so entstand die merkwürdige und zugleich auch überzeugende Situation, daß die zwei absoluten Widerparte in dieser Angelegenheit die gleiche Meinung verteidigten. Sie sagte: „Es geht um die Formel, wir sollen die Ergiebigkeit der Formel testen. Die Schlichterin ist auch kein Doktor Allwissend, und wenn sie uns bittet, die Entscheidungsgrundlagen weiter auszubauen, dann ist das unsere ureigenste Sache, denn wir haben sie ja angerufen!“
    „Das ist die Hauptsache“, stimmte Esther zu. „Außerdem ist aber die Formel, da sie alle bisher gewonnenen Daten berücksichtigt, mindestens eine Näherung an die objektive Wahrheit, und wenn man sie befragt, dann befragt man auch indirekt die Wirklichkeit.“
    Nach einigem Hin und Her beschlossen sie, zunächst einmal einen Durchlauf nach dem Muster des letzten Experiments, aber ohne EGI, zu machen, um sich an die Bedingungen zu gewöhnen. Und tatsächlich, das Experiment lief genauso ab wie sein Vorgänger, was niemanden wunderte. Danach hatten sie sich an die Situation gewöhnt, zumal alles andere – Geräte, Anzeigen, Meßergebnisse – getreu simuliert war.
    Ruben übernahm wieder die Position des Außenseiters – auch aus eigenem Interesse; er wollte die Spektrallinien des Targets untersuchen, alles andere war ihm weniger wichtig. Unter der EGI wurden nun fünf Durchläufe der zuletzt vollführten Art variiert, also Entwicklung des Bläschens – oder richtiger: der zwei Bläschen – bis zur zweiten Phase und dann Auslenkung auf ein Target; das alles freilich nicht im realen Prozeß, sondern am physischen Modell der Formel. Ruben entdeckte dabei, daß mit Variierung der Bedingungen auch das Spektrum des glühenden Targets variierte, nicht qualitativ, sondern quantitativ – es traten die gleichen Linien auf, nur unterschiedlich stark. Nebenbei fand er auch, daß dieses Modell etwas leistete, was die Wirklichkeit bisher nicht geleistet

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