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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Computernetzes.
    So traf sie der Alarm der ATTACKE-Zentrale, die ihren Sitz gleich nebenan hatte, in ihren Arbeitsräumen, jemand riß die Tür auf, brüllte „Alarm!“, sie sprangen auf, liefen mit, fuhren mit.
    „Hier muß es irgendwo sein“, sagte der Fahrer, auch wohl ein Student wie die meisten ATTACKE-Mitarbeiter, und bog in eine Nebenstraße ein. Da stand schon der Wagen der Dringlichen Medizinischen Hilfe. Sie hielten, sprangen heraus, liefen hin.
    Die Mediziner untersuchten einen Mann, aber der war bei Bewußtsein und ziemlich lebhaft. „Ein leichter Anfall“, sagte der leitende Arzt, „wir können das hier abmachen. Ein bißchen Schonung hinterher – na, Sie wissen schon.“
    Eine halbe Stunde später saßen sie zu sechst in der Zentrale der ATTACKE-Leute. Der Mann hieß Severin Runge und war als Planungskontrolleur unterwegs gewesen. Vom Handwerk war er Klempner, und seine Kunst war das Kupferschmieden.
    Natürlich kannte jeder die Institution des Planungskontrolleurs, aber wer wußte schon genau, was solcher Dienst alles umfaßte? Sie ließen es sich von Severin Runge erläutern.
    Die materielle Produktion und Reproduktion bleibt ja im wesentlichen konstant, wie jeder in der Schule lernt. Da auch der Stoffkreislauf beinahe geschlossen ist, also der Natur fast nichts mehr entnommen oder hinzugefügt wird, ist die Produktion ein periodischer Prozeß, dessen Planung dem Computernetz obliegt. Veränderungen gibt es nur sozusagen an der Basis, und die beziehen sich auf Einzelheiten, konkrete Anforderungen im Bestellsystem, die sich hier und da ändern, wobei aber die Änderungen sich spätestens im Regionsmaßstab gegenseitig aufheben.
    So lernt man es in der Schule. Aber in Wirklichkeit ist die Sache doch etwas komplizierter, denn wozu würden sonst die Planungskontrolleure gebraucht, die ein vielfach gegliedertes System menschlicher Verantwortung darstellen, das dem Computernetz übergeordnet ist. Die kollektiven Organe der Kontrolleure bestätigen oder verwerfen die Computerplanungen. Aber sie verwerfen sie selten; allzuviel Arbeit haben sie damit nicht: Die Stabilität überwiegt.
    Die Hauptarbeit des Kontrolleurs liegt an der Basis. Jeder Mensch oder jeder Haushalt bestellt im Herbst die langlebigen Gebrauchsgüter, die er im Jahr darauf haben möchte, und die Computer würden selbstverständlich alles planen und produzieren lassen, was da bestellt wird. Mißbrauch wäre, wenn auch selten, so doch möglich. Es kommt ja auch hier und da noch Mißbrauch mit Gütern des täglichen Bedarfs vor, nur fällt der ökonomisch nicht ins Gewicht, eher moralisch. Die Planungskontrolleure prüfen also den Umfang der Bestellungen, und es gibt immer wieder mal einen Fall, wo sie mit dem Besteller sprechen und sich seine Wünsche begründen lassen. Im äußersten Fall können sie den zuständigen Schlichter anrufen – verweigern dürfen sie selbst nichts.
    Das lernt man zwar nicht in der Schule, aber man erfährt es nach und nach, wenn man älter wird. Was jedoch Severin Runge erzählte, war nicht nur Pauline, sondern auch Wenzel neu.
    „Ich habe mich heute halbtot gefreut!“ sagte der Kontrolleur, erschrak sogleich vor seiner eigenen Formulierung, die ja auf makabre Weise im direkten Wortsinn zutraf, winkte dann aber ab und lächelte wieder. „Was ich schon lange erwartet habe – jetzt geht’s los! Jetzt hab ich handfeste Zahlen, nicht nur von hier, auch von Kollegen aus anderen Kreisen. Jetzt geht’s als Bericht zum Regionsausschuß. Wenn Sie wollen, erklär ich’s Ihnen, es macht mir ja Freude, also folgendermaßen…“
    Wenzel blickte den Arzt an, der verstand die stumme Frage, ob es für den Patienten gut sei, wenn er sich so enthusiasmierte, und nickte leicht. Nun hörte Wenzel ohne Sorge und dann auch mit wachsendem Interesse zu; denn was der Kontrolleur ausführte, widersprach in mancher Hinsicht der Schulökonomie.
    „Im Grunde hat mich die Stabilität immer geärgert. Sie ist ja gut und funktioniert auch vortrefflich, wer sollte das besser wissen als ich, aber eigentlich widerspricht sie doch der menschlichen Natur. Ja, ich weiß alles, niemals haben die Menschen so viel Freizügigkeit gehabt, so viele Entfaltungsmöglichkeiten wie jetzt, und nach den großen Umwälzungen vergangener Jahrhunderte war eine Periode relativen Stillstands sicher notwendig. Also ich denke gar nicht, daß wir Menschen irgend etwas falsch gemacht hätten, ich meine nur, daß wir aufpassen müssen, sonst kann es

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