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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Teilnehmern diskutierte, diese Telepathie – oder was immer es sonst gewesen war – hatte entschieden Ähnlichkeit mit den Dingen, denen Wenzel im fernen Mitteleuropa nachspürte. Da er aber auf keine andere Weise als durch sie davon erfahren konnte, war dies unzweifelhaft ein zwingender Anlaß, ihn anzurufen – zwingend für sie selbst. Von einem bestimmten Grad des Selbstbewußtseins an ist es ja viel wichtiger, vor sich selbst zu bestehen als vor anderen.
    Nicht der Wunsch war der Vater des Gedankens gewesen. Sie hatte an der Diskussion die Ähnlichkeit entdeckt, die sie zum Anruf veranlaßte, und diese Entdeckung war mit einer so phantastischen Ausschweifung des Denkens verbunden gewesen, daß sie verblüfft und ein wenig erschrocken war. Jemand hatte auch die Antennenthese zur Sprache gebracht, die Spekulation also, die apparative Ausführung der Formel könne als Medium für Botschaften einer anderen Intelligenz dienen, einen Gedanken, den jeder seriöse Wissenschaftler nur belächeln konnte – und was geschah?
    Sie, Sibylle, war doch gewiß seriös, aber ihre Phantasie spann weiter: vielleicht nicht der Apparat, vielleicht die Gehirne! Womöglich gehen die Kontakte, auf die jeder phantasievolle Mensch in irgendeinem Winkel seines Herzens hofft, überhaupt nicht durch ein technisches Medium, sondern direkt von Gehirn zu Gehirn, aber erst wenn die Gesellschaft und nach ihr die Gehirne der Menschen dazu reif sind. Und dieser Zeitpunkt könnte sich jetzt ja nähern. Was hat sich in den letzten Jahrhunderten nicht alles in Denken und Lebensweise der Menschen verändert! Zum erstenmal in der Geschichte wuchsen Generationen nacheinander ohne gesellschaftliche Explosion, ohne Zwang und Einengung, ohne Einseitigkeiten in der persönlichen Entwicklung auf, konnte da nicht das Gehirn – von dem immer noch mehr als die Hälfte unausgelastet blieb, nach Schätzungen derer, die es wissen mußten – in eine grundlegend neue Phase eingetreten sein, in eine massenhafte Entfaltung von Möglichkeiten, die früher immer nur wenige einzelne zufällig und bruchstückweise zu realisieren vermochten und die deshalb nie reproduzierbar gewesen waren?
    Der Gedanke, bei dem sie da gelandet war, schien ihr weiterer Überlegungen würdig, selbstverständlich ohne die Abschweifung zu außerirdischen Botschaften. Vielleicht war das Problem, das sich aus dem Tod ihres ehemaligen Mannes so schnell entfaltet und verbreitet hatte und das immer weiter ausuferte, nur von dieser sehr allgemeinen Seite her lösbar? Vielleicht gehörte ebenfalls die EGI dazu, bei der ja die Psychologen nicht genau wußten, was da eigentlich vor sich ging? Wie auch immer – es war notwendig, Wenzel darauf hinzuweisen.
    Vor dem Anruf zögerte sie. Sollte sie die Bildübertragung benutzen? Sie wollte eine sachliche Information geben, mehr nicht. Daß das Gespräch für sie beide unendlich viel mehr bedeuten würde, war auch ohne Bild klar. Gewiß hätte sie ihn gern gesehen und er sicherlich sie ebenfalls, aber ob sie dann so beherrscht würde bleiben können, wie sie das wollte? Doch was kann man einem ansehen; was man nicht der Stimme gleichermaßen anhören könnte? Also doch mit Bild.
    Sie rief zuerst in Prag an, erfuhr dort von dem Berliner Büro, und da hatte sie Glück: Sie traf Wenzel und auch Pauline an. Wenzel bekam große Augen, Pauline winkte und hatte plötzlich woanders etwas zu tun, und von dem Augenblick, da Pauline den Raum verließ, blieb Sibylle nur ein einziges großes Gefühl in Erinnerung. Sie sagte, was zu sagen war, und Wenzel antwortete, aber das alles war plötzlich ganz unwichtig geworden. Sie waren so sehr eins, daß dieses kurze Gespräch genügte, um alles zu klären, auch ohne daß mehr als das Sachbezogene gesprochen wurde. Kein Wort darüber, daß Wenzel nach Sternenstadt kommen würde, daß sie sich wiedersehen würden, daß jetzt, in diesem Moment, ihre Zusammengehörigkeit für alle Zukunft besiegelt war: Sie wußten es beide, zweifelten so wenig daran, daß sie nicht einmal zögerten, das Gespräch zu beenden, als Wenzel sich für die Mitteilung bedankt hatte.
    Anzusehen war es Wenzel allerdings doch; denn als Pauline wieder hereinkam, warf sie einen prüfenden Blick auf ihn und sagte: „Seid ihr euch nun endlich einig?“ Und fügte gleich den Stoßseufzer Hunderter von Frauengenerationen an: „Mein Gott, diese Männer! Da muß erst die Frau anrufen! Nicht in der Lage, die Initiative zu ergreifen!“
    Aber Wenzel wollte

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