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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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blieb, und anderntags beim Frühstück, daß sie versuchen wollten zusammenzubleiben.
    Am nächsten Tag spürte Pauline noch, daß sie sich irgendwie steigerte, dann nicht mehr – sie war in einem Zustand, in dem es nichts Schweres oder Schwieriges mehr gab. Wie von selbst fügten sich in ihrem Kopf Erlebnisse, Gedankenfetzen, halbe Schlußfolgerungen der letzten Monate zusammen, mühelos überbrückte ihr Gedanke die Schluchten des Unbekannten.
    Manchmal liegen Entdeckungen in der Luft. Manchmal erlebt ein Mensch einen Schub von Genialität. Trifft beides zusammen, geschieht ein Wunder.

    Wenzel hatte sich von den dringenden fernmündlichen Bitten Paulines bestimmen lassen, ein Dorf im Thüringer Wald aufzusuchen, um sich dort mit ihr zu treffen, oder richtiger, um dort mit ihr gemeinsam eine – wie hieß das? – historiometrische Arbeitsgruppe zu besuchen. Wenzel hatte zwar keine Vorstellung, was er dort sollte, aber er vertraute Paulines Urteil, und selbst wenn sich diese Zwischenstation auf der Reise nach Sternenstadt als überflüssig erweisen würde, so war es wenigstens eine kleine Erholung, und die hatte Wenzel nötig.
    Die Arbeit am Sektenproblem in die richtigen Kanäle zu leiten war noch schwieriger gewesen, als er befürchtet hatte. Er hatte es so regeln wollen: Eine Arbeitsgruppe unter Mitwirkung von Klara Mannschatz sollte an zehn bis fünfzehn Sekten im Raum Berlin die Idee mit der wissenschaftlichen Beratung erproben, jeweils der lokale Ratgeber würde die Sache bei seiner Sekte in die Hand nehmen; aber da gab es Schwierigkeiten, einige Ratgeber lehnten es ab, ihre Nachbarn wegen einer harmlosen Marotte zu belästigen, die wären ja keine Flattermänner, sondern Blumenanbeter oder Tischrücker oder kosmische Spurensucher und so weiter. Wenzel hatte schließlich den Schlichter der Region einschalten müssen, der ja in der Lage war, den Ratgebern Auflagen zu erteilen, und es in diesem Fall auch getan hatte, befristet natürlich, aber doch zeitlich ausreichend, daß die Arbeitsgruppe erst mal forschen und untersuchen konnte.
    Es war vielleicht nicht so sehr der ungewöhnliche Aufwand an persönlichem Engagement, der Kampf gegen die Widerstände gewesen, der Wenzel ermüdet hatte, sondern eher der Zwiespalt, einerseits diese lebenswichtige Angelegenheit zu klären, auch wenn es lange dauerte, andererseits aber sich dem noch Ungewissen zuzuwenden, der noch verschwommenen Gefahr weiterer unbekannter Wirkungen, die zu finden doch noch dringlicher sein konnte. Er hoffte, daß wenigstens Pauline die Zeit hatte nutzen können. Bei den Ferngesprächen, die sie zwischendurch führten, hatte er den Eindruck gewonnen, sie sei verändert. Er wollte aber nicht fragen, er hatte ja den Kopf voll mit seinen Problemen, und Pauline war gewiß kein Mensch, den man bevormunden mußte.
    Wenzel hatte den Dienst als Zweiter Gehilfe aufgegeben, hauptsächlich, weil er wirklich nicht mehr in der Lage war, die anfallenden Aufgaben ordnungsgemäß zu erledigen. Der RR war ihm darin entgegengekommen, oder er war dem RR zuvorgekommen, gleichviel, die Sache war ohne Vorwürfe und in aller Sachlichkeit vonstatten gegangen, der RR hatte Wenzels selbstgestellte Aufgabe keineswegs geringgeschätzt, und Wenzel hatte auch das Berliner Büro und die entsprechenden Fonds für ein weiteres halbes Jahr bestätigt bekommen. Eigentlich hätte er froh sein müssen, denn er war jetzt ungebundener, konnte sich intensiver der Hauptsache widmen, und er war vielleicht sogar ein bißchen freier im ganz persönlichen Bereich – freier für Sibylle…
    Trotzdem: Er nahm Abschied von einem Dienst, den er nun schon anderthalb Jahrzehnte versehen hatte. Das geschah sicherlich auch anderen Menschen, aber ihn traf es in einer Situation, da Handwerk und Kunst für ihn fast bis zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken waren, und auch persönliche Bindungen stützten und hielten ihn nicht.
    Doch das war nicht eigentlich der Kern innerer Zwiespältigkeit. Dahinter stand die ein wenig ratlose Besorgnis, wie es denn möglich sei, daß seine Welt, die Stabile Gesellschaft, sonst in allem so perfekt den menschlichen Bedürfnissen angepaßt, jeglicher Aktivität Raum gebend, für eine solche Untersuchung, wie er sie führte, keine Möglichkeiten instituiert hatte. Für die Wissenschaften war sie zuwenig wissenschaftlich, für die Kunst zu arm oder zu reich an Gegenständen, je nachdem, wie man es sehen wollte, und für die Ratgeberschaft zerfiel sie sofort wieder in

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