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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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zeitgenössischen Quellen wissen wir, was für Werkzeuge eine normale Bauernfamilie hatte. Einzelne Werte über den Kraft- und Energieaufwand bei körperlichen Arbeiten, zum Beispiel Bäume fällen mit dem damaligen Gerät, mußten wir experimentell entwickeln. Sie haben das sicherlich draußen gesehen. Das ist gar nicht schlecht, denn wir bekommen dadurch Vergleichswerte zu heutigen Menschen, die – na ja, historisch aussagekräftig sind sie nicht, aber vielleicht doch ganz interessant? Wir werden sehen. Das heißt: Wir werden das heute noch sehen. Denn in einer Stunde sind die Vorbereitungen endlich abgeschlossen. Alles im Computer, wir können ihn anschmeißen.“
    „Und der liefert dann alle Werte, die Sie brauchen?“ fragte Wenzel. Er fand das Ganze sehr anregend, nur was sich Pauline davon für ihr Problem versprach, verstand er nicht.
    „Nein, so einfach ist das nicht“, antwortete der Historiker stirnrunzelnd. „Das müßte Ihnen unser Mathematiker erklären, doch der hat jetzt keine Minute Zeit, na, ich will’s versuchen. Also der Computer rekonstruiert das Jahr, indem er es durchlaufen läßt und aufzeichnet, und dann können wir alle gewünschten Werte von diesem Vorgang abgreifen. Er braucht dazu wahrscheinlich etwa eine Stunde. Er rechnet aber nicht einfach, sondern, wie soll ich das sagen… Ach so, ja, das hab ich vergessen, wir haben also als Startbedingung für jede Person, Mann, Weib, Kind oder Greis, eine Art Psychogramm eingegeben, und die so entstehenden Personeneinheiten bleiben relativ selbständig. Aber Sie merken schon, so richtig erklären kann ich das auch nicht.“
    „Und wie zuverlässig sind die Ergebnisse?“ fragte Wenzel. „Immerhin ist es ja nicht die Wirklichkeit selbst, die Sie befragen.“
    „Es ist nicht unsere erste Aktion“, sagte der Historiker, „und wir sind auch nicht die einzigen, die auf dem Gebiet arbeiten. Es gibt eine theoretische Zuverlässigkeit von achtundneunzig Prozent, die praktische kann bei sorgfältiger Arbeit um plus minus zwei Prozent schwanken. Begonnen wurde mit Messungen kleiner Kollektive in einem historisch besser zugängliche Zeitraum, etwa bei der Besiedlung Nordamerikas durch die Europäer, da existieren in einigen Fällen guterhaltene, umfassende Berichte. Auch Berechnungen, bei denen ein wesentlicher Teil dieser Berichte nicht berücksichtigt wurde, führten doch zu richtigen Ergebnissen. Allerdings, so weit zurück wie wir ist noch keiner gegangen – das heißt, zeitlich schon, rein von den Jahreszahlen, im Orient etwa, aber von der gesellschaftlichen Situation nicht.“
    „Und läßt sich mit der Methode auch heutige Gesellschaftsprognose erarbeiten?“ fragte Wenzel gespannt; denn darin hatte er eben einen Sinn von Paulines Einladung zu entdecken geglaubt.
    Aber der Historiker wehrte ab: „Um Himmels willen, nein, über die Komplexität einer kleinen Gruppe kooperierender Menschen gelangen wir bis jetzt nicht hinaus, dazu fehlen noch wesentliche mathematische Grundlagen – sagt unser Mathematiker, und der wird’s doch wissen.“
    „Und was erwarten Sie selbst von dieser Arbeit?“
    „Was erwarte ich – nun ja, man hat selbstverständlich Vorstellungen, Hypothesen, doch die darf man nicht überschätzen; es kommt ja auch gar nicht so sehr darauf an, was bei unserer Geschichte an direkten Meßergebnissen gewonnen wird. Das ist gewiß auch wichtig, aber noch wichtiger ist, daß unsere ganze, noch ziemlich junge Wissenschaft Material erhält, Quasi-Fakten, wie wir das nennen, die, wenn sie eines Tages in großer Menge vorliegen, auch umfassend in Zeit und Ort, bedeutende Verallgemeinerungen möglich machen, Einsichten in unsere Geschichte, die uns heute noch verwehrt sind.“
    „Aber trotzdem – was haben Sie für Vorstellungen?“
    „Ich erwarte sehr hohe Werte der physischen und psychischen Kennziffern, höhere jedenfalls als bei den Hörigen und Leibeigenen, gar nicht zu reden von den Feudalherren und ihrem Gefolge, na, die sind ja auch nicht so interessant, die Herren meine ich. Es erfordert eben mehr Arbeit, Anstrengung, Können und Wollen, Wald zu roden und Land urbar zu machen, als schon erschlossenes Land zu bewirtschaften. Es gibt solche Messungen, die sich einigermaßen vergleichen lassen, von der Besiedlung Nordamerikas durch europäische Bauern. Diese Leute, die hier einmal ihre Siedlung errichtet haben, hatten ein Ziel: frei zu leben. Wenigstens für zwei oder drei Generationen haben sie das auch erreicht,

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