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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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gegenwärtigen Werte zum Vergleich auf den Schirm und erkannte, daß sich die Parameter des Bläschens schon seit diesem Sprung, den er eben entdeckt hatte, nicht mehr geändert hatten. Eigentlich könnte man die Laser abschalten, dachte er, aber das war Sache der EGI-Mannschaft, er konnte sie dabei nicht stören. Also zurück zur Sprungzeit. Was war da geschehen? Wo konnte er suchen? Klar, das Magnetfeld hatte reagiert, und das, worauf es reagiert hatte, mußte ebenfalls gemessen worden sein, also wahrscheinlich wohl von den Meßfühlern der Feldsteuerung, die normalerweise nicht im Versuchsprotokoll erschienen, weil sie zu vielen lokal bedingten Schwankungen unterlagen, die aber selbstverständlich gesondert aufgezeichnet und abrufbar waren.
    Her damit! Es war nicht so leicht, diese Werte aus dem Computer herauszukitzeln, wenn man nicht ständig damit umging – da waren die Computerdialoge des Navigators in seinem großen Raumschiff einfacher gewesen. Doch er schaffte es, und als er sie endlich auf dem Schirm hatte, sah er sofort, daß sich die Mühe gelohnt hatte. Das Bläschen mußte sprungartig eine Zunahme an Masse erfahren haben. Oder an Energie. Oder an beiden. Sprungartig, das hieß hier: innerhalb von zehn Nanosekunden. Und, alles in Masse umgerechnet, um ungefähr zehn Prozent. Aus dem Nichts. Ein Schöpfungsakt? Ein Mini-Urknall?
    Ruben mußte über sich selbst lächeln; der Eifer hatte ihn gepackt. Neuer Auftrag an den Computer: in der Umgebung des fixierten Zeitpunktes von plus minus zwanzig Nanosekunden alle Meßwerte auszugeben, die Veränderung zeigten.
    Das war aber nun doch mehr, als Ruben erwartet hatte, und weit mehr, als er im Augenblick und ohne Suchprogramme verarbeiten konnte. Noch ein Blick deshalb zu den andern und in die Realzeit: Das Bläschen existierte noch immer, jetzt schon vier Minuten. Sollten sie es stabil bekommen haben? Aber die Kollegen, deren Gesichter sein Blick streifte, sahen gar nicht freudig erregt aus. Dann wischte ein neuer Gedanke den Eindruck fort: Wenn nun das Bläschen ein neutrales Teilchen eingefangen hatte? Ein Neutron zum Beispiel? Bruder Zufall, wieder hättest du uns geholfen! Ein Zufall freilich wäre das, der ebensogut erst in zehn Jahren hätte auftreten können und der sich so schnell nicht wiederholen dürfte, aber er würde uns dennoch den Weg zeigen.
    Eine große Ruhe überkam Ruben, so eine tiefe, kräftige Ruhe, nur ganz im Hintergrund bohrte etwas und wollte ins Bewußtsein dringen, irgend etwas, was er gesehen hatte in den letzten Minuten, gesehen und nicht beachtet… Na gut, gib dich zufrieden, es waren zu viele Werte – aber das gute Zureden half nichts, er war jetzt auch schon nicht mehr ruhig, nein, eigentlich war er unruhig geworden. Und er wurde immer noch unruhiger. Meßwerte waren es nicht, die ihm im Kopf herumspukten, was dann, was hatte er sonst gesehen, ja nun, die Gesichter seiner Gefährten…
    Ruben war alarmiert. Er blickte jetzt aufmerksam zu der EGI-Mannschaft hinüber, irgend etwas stimmte da nicht. Daß sie nicht steuerten, gut, das war in Ordnung. Also blieb ihnen nur das Zusehen. Oder der Abbruch der EGI. Aber wie bricht man die EGI ab? Wenn der Versuch zu Ende ist, das Teilchen explodiert, taucht man von selbst aus der kollektiven Versunkenheit wieder auf. Wenn aber, wie jetzt, der Versuch nicht zu Ende geht…? Der Fall war, soweit Ruben wußte, bisher nicht eingetreten.
    Und jetzt erkannte Ruben, was ihn so tief im Innern gestört hatte: der unglückliche Ausdruck der Gesichter. Was war denn mit denen los? Sahen sie überhaupt noch, was auf den Bildschirmen gezeigt wurde? Waren sie noch im Experiment, oder waren sie längst ausgestiegen? Er hielt den Atem an und lauschte. Doch ja, sie atmeten noch im gleichen Rhythmus, die EGI lief noch. Aber zeigten die Gesichter jetzt nicht schon fast eine Art Qual, bei einigen wenigstens?
    Ruben wischte die Experimentaldaten von seinem Bildschirm und schaltete statt dessen die Biodaten der Gefährten drauf. Außer Übereinstimmung sagten diese Daten jedoch gar nichts aus, innerlich schimpfte Ruben auf die Psychologen, wußte aber ganz genau, daß er ihnen unrecht tat. Es lag nicht an ihnen, wenn sich die höchstorganisierte Bewegung der Materie, das Psychische, immer noch quantitativen Messungen entzog.
    Ja, die Gesichter verrieten mehr als die feinsten Meßinstrumente. Erschöpfung breitete sich auf ihnen aus, und nun, als er dies erkannte, erschrak Ruben tief. Natürlich waren sie

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