Kurs Minosmond
erschöpft! Es war schon am Ende der halben Stunde gewesen, als dieses Bläschen stabil blieb, und seitdem, schon fast fünf Minuten, waren die andern in der EGI geblieben, sie waren längst überbeansprucht, vielleicht waren sie zu schwach, selber herauszufinden. Und er, konnte er ihnen helfen? Er wußte keine Antwort. Nur eins war klar: Von außen unterbrechen durfte er die EGI nicht, das konnte erfahrungsgemäß zum Schock führen, der um so schwerer sein dürfte, je erschöpfter die fünf waren.
Was also konnte er tun?
Ruben schloß den Helm, um die andern nicht aufzuschrecken, und rief den raummedizinischen Dienst in Gagarin an, schilderte die Situation und bat um Hilfe. Als der Ruf abgegangen war, rechnete er: Fünf Minuten ging der Spruch hin, fünf Minuten zurück, mindestens drei Minuten, ehe der Diensthabende eine vorläufige Antwort formuliert hatte. Er sah in die Gesichter der fünf Gefährten und wußte, so lange durfte er nicht warten.
Das probate Mittel bei psychischen Störungen aller Art war im Raumschiff von jeher Schlafgas. Aber wenn das nun schadete?
Ruben setzte sich ein Ziel von zwei Minuten. Innerhalb dieser Zeit mußte er zu einem vernünftigen Schluß kommen. Medizinische oder psychiatrische Fachkenntnisse hatte er nicht, doch die EGI kannte er, hatte sie selbst oft erlebt, auch noch in ihren Anfangszeiten, und er hatte alles gelesen, was darüber publiziert worden war. Er entsann sich, daß sie einmal sehr erschöpft gewesen waren, sie hatten die Zeit weit über das normale Maß hinaus gedehnt, auch um festzustellen, wie lange man den Zustand aufrechterhalten könne. Sie hatten zwar das Experiment noch selbst abgebrochen, waren dann aber sofort schlafen geschickt worden. Jetzt waren die Gefährten noch in der EGI, gemeinsam, aber der Schlaf verschloß die Sinnesorgane, und damit mußte die Synchronisation der fünf zerfallen und zugleich Erholung einsetzen.
Ob das stimmte? Das konnte ihm im Augenblick keiner sagen. Wenn er aber bei jedem Entschluß auf vollständige Information gewartet hätte, dann wäre sein Raumschiff nicht mal bis zum Minos gekommen, geschweige denn zurück.
Ruben war entschlossen. Er zog sein Visier wieder herunter und ließ Schlafgas in die Zentrale. Aufmerksam beobachtete er die Anzeige der Körperwerte aller fünf: normale Schlafanzeichen. Und langsam schwand die Parallelität, jeder bekam seine eigenen charakteristischen Kurven.
Im Archiv mußten die Schlafkurven der fünf gespeichert sein. Ruben holte sie auf die Schirme – die jetzigen Kurven stimmten mit den archivierten überein.
Nun sah er in die Gesichter und atmete auf. Die Qual und die Unruhe waren aus ihnen verschwunden, alle sahen wie normale Schlafende aus.
Ruben blies das Schlafgas aus der Zentrale, öffnete sein Visier und stand auf. Mit Gurten sicherte er die Schlafenden in ihren Sesseln. Und dann endlich kam die Antwort aus Gagarin. Eine gutaussehende, aber nicht mehr allzu junge Frau erschien auf dem Bildschirm. „Geben Sie Schlafgas, und wenn eine Beruhigung eingetreten ist, kommen Sie nach Gagarin zurück. Inzwischen übermitteln Sie mir bitte die Biowerte der Patienten, ich melde mich dann wieder.“
Ruben war ungeheuer erleichtert, daß er anscheinend das Richtige getan hatte. Er schaltete die Körperwerte der fünf auf den Sender. Jetzt zum erstenmal dachte er wieder an das Experiment und seinen merkwürdigen Ausgang. Was war mit dem Bläschen geschehen? Existierte es noch? Er blickte auf die Bildschirme der anderen. Sie waren leer. Irgendwann mußte es explodiert sein. Nun, das würde er sich später anschauen. Er schaltete, aber von der Anlage Blastron I kamen überhaupt keine Werte mehr. Was war denn da los?
Er schaltete das Radar des Zollstocks ein und suchte die Anlage. Sie war nicht schwer zu finden, vor allem wegen der riesigen Kollektorschirme, in deren geometrischer Mitte sie lag. Moment mal…, das war doch nicht möglich… Ruben schaltete zum Radar das Infrarotbild. Tatsächlich, die Anlage taumelte. Die Steuerdüsen wurden gezündet, unregelmäßig, mal die, mal jene. Und in den Abgasen der Düsen zeichnete sich für den Bruchteil einer Sekunde ein schmaler weißer Streifen ab: die Laser arbeiteten noch!
„Wir können jetzt nicht nach Gagarin kommen“, sprach Ruben ins Mikrofon.
2
Draußen schien die Nachmittagssonne, der Sandweg leuchtete gelb, das Gras grün.
„Warum hat er Sie eingeladen und Ihre Kinder nicht?“ fragte Wenzel. Es war ihm klar, daß die
Weitere Kostenlose Bücher