Kurs Minosmond
ins Zimmer und lud die beiden ein: „Bitte kommen Sie mit in Mohrs Haus, das hiesige Quartett hat mich gebeten, in einem kleinen Konzert zum Abschied von Otto mitzuspielen.“
Sieh an, dachte Wenzel, der Tod hat die Spannungen überbrückt. Nun ja, wer sollte seinen Groll wohl auch über fünf Jahre frisch halten, und wozu!
Im Haus des Toten nutzte Wenzel noch schnell die Gelegenheit, dem fremden Glaskünstler und dem Inder den Glasstab und die seltsame Werkzeugtasche zu zeigen. Beide wußten damit nichts Bestimmtes anzufangen; zur Glaskunst gehöre die Tasche jedenfalls nicht, meinten sie. Den Raumteiler konnten sie freilich nicht singen hören, dazu war zuviel Betrieb in der Halle.
Das halbe Vorwerk hatte sich zum Konzert versammelt, wahrscheinlich sogar mehr als die Hälfte der Einwohner, wenn man die Kinder abrechnete, die jetzt wohl schon im Bett lagen oder gerade versorgt wurden. Frau Mohr spielte die Violine, und das Quartett mußte wirklich hervorragend sein und der Raum eine besonders gute Akustik haben. Wenzel spürte jedenfalls gleich zu Beginn, wie die Töne ihn mitnahmen auf die Reise, er setzte ihrer Führung keinen Widerstand entgegen, es war etwas Klassisches, Beethoven vielleicht, dachte er. nebenbei, dieses Denken störte ihn nicht, er fühlte, wie er sich innerlich immer mehr öffnete, wie tief Verschlossenes sich auftat, während die Sachbezogenheit der Tagesaktivität unwesentlich wurde, die Leute im Raum rückten in größere Fernen, wurden durchsichtig wie Glas, nur zwei nicht, die beiden Frauen, Sibylle und Pauline.
Die letzten Minuten des Experiments liefen in Zeitlupe über den Bildschirm – der Zeitraum also, den Ruben Madeira nicht mehr verfolgt hatte, weil er sich um seine Gefährten sorgen mußte. Ruben war neugierig, aber sicherlich hätte die Neugier allein ihn nicht bewegt, die andern aus den Augen zu lassen und ihre Überwachung dem Computer anzuvertrauen.
Ruben vermutete, daß der Ausgang des Experiments und die folgenden Ereignisse etwas miteinander zu tun hatten, und damit wurde die Sache auch unmittelbar für die Beseitigung der Gefahr wichtig. Aber ebenso wichtig war es sicherlich, die Kollegen mit einer erfreulichen Neuigkeit aufzumuntern, wenn sie erwachten. Denn beim Experimentieren, das wußte er aus eigener Erfahrung, heilt nichts so gut die Folgen einer schweren Erschöpfung wie der Erfolg des Experiments.
Was also war in den letzten Minuten geschehen? Wenn man den Instrumenten glauben wollte: nichts. Das jetzt schwerer gewordene Bläschen nahm keine Energie mehr auf, es bewegte sich nur noch träge spiralig um die Feldlinien der Magnetflasche, in der es festgehalten wurde. Trotzdem war das etwas unerhört Neues: In seinem bisher bekannten Zustand konnte das Bläschen nur existieren, indem es ununterbrochen Energie aufnahm, im stabilen Ungleichgewicht also wie etwa ein Organismus oder, einfacher, wie eine Kerzenflamme, wobei alle diese Vergleiche hinkten, denn bei den genannten Beispielen wurde ja wiederum Energie abgegeben, was das Bläschen nicht tat. Im zweiten Stadium aber nahm es keine Energie auf, wuchs auch nicht mehr, war also wohl im stabilen Gleichgewicht.
Und dann – ein Strahlungsblitz, aus, das Bläschen war verschwunden. Einige zehn Mikrosekunden später brach die Datenübertragung zusammen.
Was war das für eine Strahlung? Mit der gewohnten Explosion des Bläschens hatte es nichts zu tun, darauf waren die Instrumente vorbereitet, die hätten sie eindeutig angezeigt. Also zuerst einmal die Strahlung analysieren!
Aber da signalisierte der Computer, daß Akito wach wurde. Ruben ging zu ihr, öffnete das Helmvisier, löste die Gurte, die Kopf und Hände fixierten. Jetzt öffnete sie die Augen. Der Blick, zuerst verständnislos, wurde interessierter, schweifte umher und kehrte auf Rubens Gesicht zurück. „Wir fliegen?“ fragte sie. „Was ist los?“
„Ihr seid in der EGI zusammengebrochen“, sagte Ruben. „Fühlst du dich kräftig genug für einen Computertest? Die aus Gagarin haben ihn überspielt und überwachen uns auch.“
„Ja, mach!“
„Hier“, er drückte den Kode, der den Test auf Akitos Terminal rief.
Stöhnend beugte die Physikerin sich vor und legte die Hände auf die Tastatur.
Ruben setzte sich auf seinen Platz und beobachtete sie sorgenvoll. Er merkte, wie sie manchmal mit der Antwort auf die Testfragen zögerte; auch schien es ihr schwerzufallen, sich ohne Lehne aufrecht zu halten. Der schwache Andruck, der dem Körper
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