Kurs Minosmond
der Fesselung durch die Magnetfelder entzogen haben? Die Wolke hatte dann eine vergleichsweise geringfügige Masse, das Feld wirkte wie ein Synchrotron und baute sich infolge Rückkopplung mit der Versuchssteuerung ab. So konnte es abgelaufen sein – so könnte es, wenn das nicht ganz widersinnig wäre, gegen alle Erfahrungen, jeder vernünftigen Relation widersprechend. Das Bläschen müßte dann eine Entwicklung durchlaufen haben innerhalb von Minuten – Entwicklungen in diesen Größenordnungen vollziehen sich aber in Nano- bis Mikrosekunden. Es sei denn – es handelte sich um einen stochastischen Prozeß, dann konnte der Einzelfall nach einer Mikrosekunde oder ebensogut nach einer Million Jahren eintreten, und nur eine hinreichend große Zahl von Bläschen unterlag der Gesetzmäßigkeit in Form einer Halbwertszeit. Keine erfreuliche Aussicht, aber immerhin eine Erklärung. Und einiges davon mußte sich nachrechnen lassen, zum Beispiel die Reaktion der Magnetfeldsteuerung…
Ein Lämpchen blinkte. Was gab’s? Oh, war die Zeit vergangen! Der Zollstock schwenkte jetzt vorlaufend auf die heliozentrische Bahn der Anlage ein. Ein Glockenton dazu – an der Anlage mußte sich etwas verändert haben. Er schaltete. Das Bild erschien, eingerahmt von laufenden Zahlenangaben. Keine Steuerimpulse mehr. Die Anlage hatte begonnen, sich zu drehen, und – ja, die Laser arbeiteten weiter. Jetzt konnte es gefährlich werden. Allerdings war seine Position jetzt günstig. Ruben schaltete die Computerprognose dazu, die er vorhin programmiert hatte – für die nächsten zehn Minuten keine Kreuzung mit einem der Laserstrahlen.
Ein Piepton – man verlangte nach ihm. Er schaltete um. Die Ärztin aus Gagarin sehr erregt: „Versuchen Sie, Esther wach zu bekommen, beeilen Sie sich. Geben Sie Sauerstoff, bewegen Sie sie, sprechen Sie mit ihr. Im EEG nehmen bedrohliche Rhythmen zu!“
So schnell der geringe Andruck es erlaubte, war Ruben bei der schwarzen Esther, riß ihr Visier auf, klemmte ihr die Sauerstoffmaske auf die Nase, löste ihre Arme und begann, sie heftig zu bewegen. Dabei sprach er mit ihr, rief sie beim Namen, bis sie endlich die Augen öffnete, ihn voll anblickte, verständnislos auf ihre Maske schielte. Dann riß sie ihm ihre Arme aus den Händen, nahm sich das Sauerstoffgerät und sagte verblüfft, halb erbost: „Was ist denn hier los?“
„Arbeite das Programm ab!“ sagte Ruben in autoritärem Ton und schaltete ihr das Testprogramm auf den Schirm. Dann schwang er sich zu seinem Platz hinüber – es hatte schon wieder gepiept.
Diesmal meldete sich der Steuerungstechniker. „Ich habe weitergedacht“, sagte er, „nach dem Prinzip: Wo zwei Störungen auftreten, kommt bald auch eine dritte. Ich hab mir jetzt einen Antriebsingenieur dazugeholt, und wir haben zusammen den Treibstoffverbrauch der Anlage genau berechnet. Hören Sie: Der Treibstoff ist noch nicht alle. Die Anlage muß noch eine kleine Reserve haben. Sie müssen darauf gefaßt sein, daß sie plötzlich Bocksprünge veranstaltet! So, und jetzt geb ich ihnen den Lasermann.“
Der hatte auch überlegt. „Bei der jetzigen Drehgeschwindigkeit der Anlage, die ja höher ist als anfangs angenommen, hätte ich einen Schutz wenigstens für die Besatzung vorzuschlagen. Ihr VR III ist, soviel ich weiß, spindelförmig? Mein Nachbar hier bestätigt das. Dann sitzt die Mannschaft im Bugteil? Ja, gut. Drehen Sie Ihr Schiff mit dem Heck zur Anlage – falls der Laser darüber weghuscht, wird er allenfalls die Antriebe zerstören, aber nicht durch das ganze Schiff bis zum Bug dringen. Das war’s erst mal. Ich bleibe dran.“
Und wieder die Ärztin. „Sorgen Sie dafür, daß Esther wach bleibt, egal was der Test ergibt. Lassen Sie sie nicht allein.“ Und leise fügte sie hinzu: „Wenn’s geht.“
Ruben blickte zu Esther. Die hatte den Test absolviert und das Gespräch mit angehört. „Wie war der Test? Wie fühlst du dich?“
„Gemischt. Aber ich glaube, ich komme ohne Krankenschwester aus.“
„Das mußt du auch!“ sagte Ruben und erklärte ihr, so kurz es ging, die Lage. „Ich werde rausgehen und die Laser abstellen“, fuhr er fort, „und du mußt hier auf die andern aufpassen. Sieh dir dein EEG von kurz vor dem Wecken an, da ist irgend etwas drin, was die Ärztin alarmiert hat, am besten fragst du sie auch – wenn das bei einem von den andern auftritt, mußt du ihn wecken. Und wenn ich draußen getroffen werde, mußt du raus!“
Eigentlich
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