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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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den Kopf, und zwar in dem Augenblick, als Pauline die Außentür öffnete und in die Halle trat.
    „Ich habe Neuigkeiten!“ rief Pauline. „Da war einer beim Kreisvorstand der bildenden Künstler, der… Aber was ist, störe ich?“
    „Nein, nein, setz dich und erzähle!“ bat Wenzel.
    „Otto Mohr hat an etwas gearbeitet, was mit Glas, Akustik und Psychologie zusammenhing. Er hat jedenfalls auf diesen Gebieten Dienste in Anspruch genommen, die über den Etat des Kreisverbandes abgerechnet werden, ich hab auch die Adressen der Leute und Institutionen.“
    „Ein Thüringer Gerätewerk dabei?“ fragte Wenzel.
    „Ja!“ sagte Pauline verblüfft und etwas enttäuscht.
    „Mach dir nichts draus, die andern kennen wir noch nicht, und die sind sicher wichtiger. Der Raumteiler da ist das bewußte Kunstwerk! Stell dich mal ganz ruhig davor, so, gut, entspann dich…“
    Ein Blick auf die Instrumente zeigte: Nichts rührte sich.
    „Was soll das?“ fragte Pauline. Wenzel erklärte ihr, was sie herausgefunden hatten.
    „Das war also die Überraschung, die er in dem Brief an Sie angekündigt hat?“ vergewisserte sich Pauline noch einmal.
    „Höchstwahrscheinlich“, bestätigte Sibylle, „ich hab auch das Gefühl, daß die Resonanzwirkung Kreativität entfesselt.“
    „Aber dann…“, begann Pauline, stockte aber und biß sich auf die Lippen.
    „Sprich es ruhig aus“, sagte Wenzel.
    „Dann wird doch völlig unverständlich, woran er gestorben ist!“
    Wenzel nickte, wurde aber einer Antwort dadurch enthoben, daß die Ratgeberin hereinstürmte. „Da war ein Anruf für Sie…“
    „Moment, Moment, da kommen wir gleich noch drauf, stellen Sie sich bitte erst mal vor den Raumteiler hier…“
    „Der Anruf kam aber…“
    „Jaja, gleich, so, jetzt bitte ganz ruhig, glauben Sie mir, es ist wichtig, entspannen Sie sich, bleiben Sie stehen. Augenblick noch!“ Er trat zurück.
    Auch bei der Ratgeberin reagierte das Glas nicht. Sibylle hatte also recht gehabt.
    „Was ist denn das für ein Unsinn“, sagte die Ratgeberin, „ich muß doch gleich wieder zurück. Ich wollte bloß…“
    „Schönen Dank“, sagte Wenzel, „wenn Sie Eile haben, erzähle ich Ihnen beim Mittagessen, was das hier bedeutet. Und was nun wollten Sie mir bestellen?“
    „Anruf von RR. Der Schlichter hat Ihren Antrag abgelehnt.“
    „Hat er noch etwas mitgeteilt?“
    „Sie möchten zurückrufen.“
    „Gut, ich komme gleich mit“, sagte Wenzel, und zu den beiden Frauen: „Wartet ihr bitte auf mich?“ Ihm wurde gar nicht bewußt, daß er Sibylle Mohr damit geduzt hatte.
    Wenzel war dabei, sich einzugestehen, daß er enttäuscht war von dieser Entscheidung, zugleich verstand er sie aber und fand sie sogar ein bißchen in die Situation passend: Im Konkreten wie auch im Allgemeinen war er auf einen neuen Ansatz zurückgeworfen.

    Bereits nach einigen Stunden hatte Ruben die wesentlichen wirtschaftlichen Zusammenhänge der Siedlung überblickt und auch eine Reihe von interessanten Projekten kennengelernt, darunter einen Flugapparat mit Flatterantrieb, auf der Grundlage von Sonnen- und Muskelenergie, der allerdings vorläufig noch an dem hohen Sauerstoffverbrauch des Fliegenden scheiterte.
    Was er freilich noch nicht ganz verstand, war die Kraft, die die Leute hier auf der Venus festhielt, unter Bedingungen, die doch für jede Art von Arbeit weit schwieriger waren als auf der Erde. Oder war es gerade diese Schwierigkeit? Nein, das wohl auch nicht, denn man trachtete ja danach, sie zu überwinden, Erleichterungen zu erfinden. War es die Aussicht, von sehr viel späteren Generationen einmal als Begründer einer neuen menschlichen Gesellschaft gefeiert zu werden? Solche weltentfernte Romantik konnte vielleicht einzelne hin und wieder bewegen, aber doch nicht die ganze Mannschaft. Und schließlich waren die Leute ja fast alle hiergeblieben. Sosehr er sich ihnen also grundsätzlich durch die Idee der Planetenbesiedlung verbunden fühlte, so wenig verstand er ihre Motive. Sie blieben für ihn also doch eine fast fremde Gesellschaft.

    Vielleicht spielte auch die Gefahr eine Rolle. Ganz so gleichförmig, wie es den Erläuterungen nach den Anschein hatte, floß das Leben hier wohl doch nicht dahin. Störungen gab es durchaus, und jede Störung wurde zum Abenteuer, jede Gefahr war sogleich eine Gefahr auf Leben und Tod für die Siedlung. Ruben erlebte ein Beispiel: Ein Tuten war zu hören, plötzlich rannten Leute durch die Gänge, da war auch sofort

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