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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Sheila McPherson, die ihn mit sich zog, kommen Sie, kommen Sie, Erklärungen später, bleiben Sie bei mir, hier, hängen Sie das um den Hals! Er erhielt etwas, was nach einem Atemgerät aussah, sie kletterten federnde Stufen hinauf und saßen dann in einer Art Kanzel, von wo sie Überblick hatten über das Deck der Siedlung, über ihnen der blaue Himmel und die Ballonbündel, die die Siedlung trugen, und hinter einem Bündel, hier und da durchblendend, die riesengroße Sonne.
    Jemand rannte über das Deck nach hinten und warf etwas in die Luft. Hinter der Siedlung entfaltete sich eine schwarze Wolke, wuchs und wuchs.
    „Das Zeichen für die Transportmannschaft, daß sie mit der Fähre in den Transportwind hinaufgehen.“
    „Ich sollte dort sein“, sagte Ruben zögernd.
    „Jetzt unmöglich. Aber Ihre Kollegen sind alle alte Hasen, die kommen schon zurecht. Und unsere Transporter kennen die Fähre auch.“
    „Was ist eigentlich los?“
    „Ich erkläre es Ihnen nach und nach“, sagte Sheila, „aber fragen Sie jetzt bitte nicht, ich muß beobachten, vielleicht handeln.“
    Es sah aus, als horche Sheila auf etwas. Dann griff sie an die Wand, löste etliche solcher Klebeverbindungen, wie Ruben sie gleich zu Anfang kennengelernt hatte, und schloß andere.
    Für Rubens Augen veränderte sich gar nichts, aber Sheila sagte nach einer Weile: „Sehen Sie – die Ballons wachsen. Wir steigen.“
    „Ich merke nichts“, gestand Ruben.
    Sheila lachte. „Das glaube ich“, sagte sie. „Also nun, was los ist. Vor uns ist eine Liau-Turbulenz aufgetaucht, benannt nach Kollegen Liau Wan-tschi in der Siedlung drei, der sie zuerst beschrieben und auch erforscht hat, soweit das bisher möglich war. Sie tritt sehr selten auf, ihre Ursachen sind noch unbekannt. Es handelt sich um eine Art Wirbelsturm, nicht in unserer Wohnsphäre, sondern unterhalb der mittleren Wolkenschicht, wo sonst Windstille herrscht. Die Gefahr für uns besteht darin, daß der Oberteil der Turbulenz bis in die Wohnsphäre hinaufreicht und vor allem die mittlere Wolkendecke hinaufdrückt bis an die obere, so daß uns auch die Schwefelsäure der mittleren Wolkenschicht bedroht. Hören Sie?“
    Es knisterte leise. Ruben wollte etwas sagen, doch Sheila bedeutete ihm, ruhig zu sein. Auch für Rubens ungeübtes Ohr war nun erkennbar, das Knistern verstärkte sich. Es mußte wohl eine Gefahr ankündigen, denn Sheila wirkte sehr konzentriert, aber er fühlte die Gefahr nicht wie sonst. Das war sonderbar, denn gewöhnlich wird man doch gerade dann für Ängste anfällig, wenn man die Aktivitäten anderen überlassen muß. Sheila setzte eine kleine Pfeife an die Lippen, gab einen schrillen Pfiff ab, von irgendwoher ertönte Antwort, dann schaltete sie wieder an ihrer ungewöhnlichen Schaltwand herum, die keine Tasten und Knöpfe hatte, sondern nur Klebestellen. Er kümmerte sich jetzt nicht mehr darum, sondern sah neugierig nach draußen, vor allem nach vorn, bemüht, irgend etwas zu entdecken. Und da, er war nicht ganz sicher, ob es wirklich so war oder ob er es sich nur einbildete, aber dann wurde es deutlicher: Vor ihnen wölbte sich der weiße Horizont der unter ihnen liegenden mittleren Wolkendecke zu einer kleinen Beule auf – das war sie wohl, die Turbulenz!
    Plötzlich hörte er ein lautes Rauschen, blickte umher, sah an den Ecken der Siedlung große, dunkle Ballons sich entfalten und schnell anwachsen.
    „Wir sind schon in der Korona der Turbulenz“, erklärte Sheila, „hier wirbeln mächtige elektrische Felder, die meisten elektrischen Geräte funktionieren nicht mehr störfrei, daher dies hier.“ Sie hob die Hand mit der Pfeife. „Wir können jetzt nur hoffen, daß die Zusatzballons schnell genug ziehen, sonst…“
    Wie als Antwort auf Sheilas Andeutung prasselte etwas. Das Geräusch ließ aber bald wieder nach und verschwand schließlich.
    „Schwefelsäureregen“, sagte die Frau. Ein Weilchen horchte sie noch, dann atmete sie auf. „Es war nicht viel.“ Sie wies auf die Folie, durch die sie nach draußen sahen – hier und da bildete sich ein Tröpfchen. „Gleich wird’s abgewaschen.“
    Wieder prasselte es, leiser diesmal, in einem anderen Ton, und es hielt auch länger an. Der Blick nach draußen wurde getrübt, nach und nach wurde die Folie ganz undurchsichtig wie Milchglas. Nur wo die Sonne stand, war noch ein heller Fleck erkennbar.
    „Eis“, kommentierte die Venusierin. „Wir durchstoßen die obere Wolkenschicht.“
    Ruben fröstelte

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