Kurschattenerbe
finden können?«
Tobias hatte sich mit der Antwort Zeit gelassen. »Nein«, hatte er gesagt, »nein, ich habe keine Ahnung.«
Er hatte sich besonnen und hinzugefügt: »Ich weiß lediglich, dass da ein anderer Mann im Spiel ist. Gestern Abend habe ich ein Gespräch belauscht. Ich dachte zuerst, es sei Lenz Hofer, der Assistent …« Tobias hatte sich unterbrochen, sich wieder mit den Fingern durch die Haartolle gefahren und den Kopf geschüttelt. »Tut mir leid, ich weiß es nicht.«
Der Beamte hatte ihn gehen lassen. Offenbar hatte er eingesehen, dass aus Tobias nicht mehr herauszuholen war. Danach hatte Tobias Viola sofort auf dem Handy angerufen, sie jedoch nicht erreicht.
Jetzt stand er vor Violas Hotelzimmer und hämmerte gegen die Tür. Es erfolgte keine Reaktion. Tobias drückte die Klinke.
*
Mutmaßlicher Sensationsfund in Meran
Laut einem Bericht in der heutigen Ausgabe des Meraner ist ein zerstört geglaubtes Bild des Tiroler Minnesängers Oswald von Wolkenstein wieder aufgetaucht. Es zeigt Oswald auf einem Weinfass auf hoher See, ein bekanntes Motiv, das der Dichter in seinen Liedern wiederholt verwendet hat. Der mutmaßliche Sensationsfund steht in Zusammenhang mit der Ermordung des bekannten Südtiroler Heimatmalers Peter Mitterer, der vor wenigen Tagen erschlagen in seinem Haus aufgefunden wurde. Laut dessen Haushälterin soll sich das Bild im Atelier des Opfers befunden haben und seit der Mordnacht verschwunden sein. Das Meraner Kommissariat hat die Meldung bisher nicht bestätigt.
Internationale Nachrichtenagentur, 1. Juni 2011
Mit donnernder Stimme las Vinzenz Gasser die Agenturmeldung vor, die er gerade auf dem Bildschirm aufgerufen hatte. Kaum hatte der Chefredakteur des ›Meraner‹ geendet, drehte er seinen Drehsessel so, dass er den vor ihm stehenden Chef vom Dienst direkt im Visier hatte. »Das ist erst der Anfang«, brüllte er. »Seit ich von meinem Treffen mit dem Verlagschef aus Bozen zurück bin, läuten hier die Telefone heiß. Die überregionalen Tageszeitungen rennen mir die Tür ein und das Fernsehen hat auch angeklopft.« Er nahm das Blatt mit den Telefonnotizen zur Hand, das ihm seine Sekretärin nach seiner Ankunft im Büro in die Hand gedrückt hatte.
»Und das hier«, wetterte er und schlug mit der freien Hand auf das Papier, »hat mir gerade noch gefehlt. Die Vizequästorin beschwert sich wegen Behinderung der Ermittlungen und der Bürgermeister fragt, was das Ganze zu bedeuten hat.« Vinzenz Gasser ließ das Blatt auf den Schreibtisch fallen und hieb donnernd mit der Faust darauf. Er fixierte seinen Chef vom Dienst. »Des frag i di a: Was soll des? Wie kimmt so eppes 1 überhaupt ins Blatt?«
Konrad Mair hatte das Gewitter über sich ergehen lassen. »Ich hab dem Beppo geschtern no an Platz freig’halten für die Meldung von dem Unfall …«
Jäh unterbrach der Chefredakteur den Erklärungsversuch seines Untergebenen. »Unfall, Unfall. Dass i nit lach! Wo steht da was von an Unfall?«
Der Chef vom Dienst, der bisher mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf vor seinem Vorgesetzten gestanden hatte, verstärkte seine demütige Haltung, indem er nun die Hände wie zum Gebet faltete und das Kinn darauf stützte. »Da hat der Beppo woll eigenmächtig eppes anderes g’schrieben.«
»Was hoasst eigenmächtig? Du bischt verantwortlich, du hättescht es kontrollieren miassn.« Der Chefredakteur war aufgesprungen und beugte sich nun drohend zu seinem Angestellten, der ihn allerdings trotz seiner gebückten Haltung um Haupteslänge überragte.
So jäh, wie er von seinem Sitz emporgeschossen war, ließ Vinzenz Gasser sich wieder in diesen zurückfallen. »Mir zwoa sprechen uns no«, sagte er unheilverkündend. »Geh’ und hol’ mir den Pircher.«
Mair räusperte sich. Verlegen trat er von einem Bein auf das andere.
»Was stehsch da no rum?«, blaffte sein Chef. »Hol man endlich, den Tolm 2 .«
»Des geaht nit, der war in G’fängnis.«
»War, war. Hettn’s ihn glei g’halten sollen. Und wo isch er jetzt?«
Mair zuckte die Schultern. »Des wiss’ ma nit. Vor oaner halben Stund hamma die Nachricht kriegt, dass sie ihn ausser lass’n hab’n. Herkemmen isch er no nit.«
Chefredakteur Gasser sprang wieder von seinem Sitz auf und schnappte sich den nächstbesten Gegenstand in seiner Reichweite. Es war ein Packen Zeitungen, die seine Sekretärin auf seinem Schreibtisch deponiert hatte. Den schleuderte er in Richtung der Tür, durch die sein Mitarbeiter
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