Kurt Ostbahn - Blutrausch
Er kann dich nicht erreichen, es ist dringend und außerdem alles ganz anders, und du sollst dich bei ihm melden.“
Was ich nach dem Telefonat mit dem Trainer nicht getan habe, weil der alte Karasek anrief, um mich daran zu erinnern, daß ich morgen, Sonntag, in Stockerau zum Mittagessen erwartet werde und im Anschluß daran zur feierlichen Erstaufführung von drei fast fertigen Nummern, die der „ King“ unter der Regie seines Sohnes, des Prinzen, im familieneigenen Heimstudio eingespielt hat.
Nachdem ich den „ King“ durch meine Absage schwer beleidigt hatte, dachte ich an Marlene, und daß morgen unser letzter Tag sein würde, abends um halb sieben geht nämlich ihre Maschine nach Paris.
Für Brunner war kein Platz in meinen Gedanken, aber jetzt in dem Höllenwirbel fällt mir der überforderte Kriminalbeamte wieder ein.
„Sonst hat er nix gesagt?“ brülle ich den Trainer an, der seinerseits Katharina anbrüllt. Es geht um Katzenpolitik.
„Wer?“ schreit der Trainer.
„Der Brunner.“
„Nein. Aber in den Nachrichten haben sie gesagt, daß eine Sonderkommission den Fall übernehmen wird. Ab Montag.“
Dann geht das Saallicht aus und rote Nebel ziehen über die Bühne.
Der Schlagzeuger spielt schneller als ich hören kann. Turbo, der Hydrant, trägt heute schwarzes Leder und ein Schirmkapperl mit Totenkopf. Der Gschwinde kommt im Laufschritt auf die Bühne, schleift sich auf den Knien ein und spielt mit den Zähnen ein Intro, über dessen musikalische Aussage ich leider nichts berichten kann, weil es mir beim ersten Ton die Ohren verschlägt.
Das doch deutlich jüngere Stammpublikum zeigt sich beeindruckt. Aber so richtig in Fahrt kommt es erst, als nach etwa fünf Minuten Donna mit ihrem Auftritt die leidige Stilfrage ein für alle Mal beantwortet.
„Mom & Dead“ sind Sex-Metal. Da fährt die Eisenbahn drüber.
Daß Donna ein fachkundiges Publikum zu unterhalten weiß, das hat sie in dem AAS -Video eindrucksvoll bewiesen. Der staunende Laie in der Berufsschule Längenfeldgasse ist von ihrer Performance aber geradezu gefesselt. Und daß Donna nicht nur mit den unübersehbaren Attributen ihrer Weiblichkeit auffährt, sondern auch über eine ganz passable Rockröhre verfügt, verleiht ihrer Vorstellung eine zusätzliche Dimension, die den vorstädtischen Resopal-Rahmen dieser Veranstaltung eindeutig sprengt.
In den exakt kalkulierten 50 Minuten ihres Sets sagt Donna kein Wort zu ihrem Publikum, kein“Hällo“ und auch kein“Pfiat euch“, was dem kritischen Betrachter so manche Peinlichkeit erspart, sie läßt den Lärm ihrer drei Begleiter sprechen, die Bühnenwirksamkeit ihrer strengen Klamotten aus dem AAS -Versandhauskatalog, den Christbaumbehang auf ihren Titten und eine Auswahl an Requisiten, die auch dem absolut Unbedarften in der letzten Reihe klarmachen, was uns die Künstlerin mit Versen wie „ All you need is discipline / I’m gonna be your Bondage Queen“ sagen will. Eine Band auf dem Weg nach oben, lautet das Urteil des Trainers.
Ich muß ihm beipflichten, obwohl Donnas Sinn für subtile Erotik nicht so ganz mein Fall ist.
Auf Katharina hat anscheinend weder die extreme Lautstärke, noch der clever inszenierte Gruselsex der Darbietung den gewünschten Effekt. Sie ist eingenickt und schlägt erst wieder die Augen auf, als „Mom & Dead“ für eine Zugabe wiederkommen.
Nach dem Blue-Öyster-Cult-Medley „ Dominance And Submission / Golden Age Of Leather / Hot Rails To Hell“ ziehen wieder rote Nebel über die Bühne, und das Publikum drängt zu dem Verkaufsstand im Foyer, an dem „ Mom & Dead“-Leiberln und „ Mom & Dead“-Schirmkappen (aus Leder-Imitat) feilgeboten werden. Ein bescheidenes Angebot, aber gegen einen Unkostenbeitrag von öS 20.- wird dem Konzertbesucher über 18 auch der AAS -Katalog ausgefolgt, mit Donna am Cover und Donna plus Feschak in Leder, Lack und Latex auf 32 farbigen Seiten.
Wir nehmen ein Exemplar mit hinter die Bühne. Katharina studiert bei einem weißen Spritzer, was sie in der vergangenen knappen Stunde verschlafen hat, während der Trainer und ich die relative Stille in dem Gang vor den Garderoben genießen und mit dem Turbo über alte Zeiten und neue Aufgaben plaudern.
„Mom & Dead“ werden in den nächsten Monaten ihr erstes Album aufnehmen, das Songmaterial dafür haben wir heute gehört, und nach der Veröffentlichung im März/April ist eine Tournee geplant. Ein Dutzend Festivals, Jobs als Vorgruppe amerikanischer
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