Kurt Ostbahn - Blutrausch
Citröen. Der fährt uns schon die ganze Zeit hinterher.“
„Darf er das nicht?“ legt der Trainer den Grundstein für einen ernsthaften Ehezwist.
„Kurtl, bitte sag dem Schwachkopf, daß in der Nacht, als dieser Wickerl ermordet wurde, gleich da vorn in der Sechshauser Straße ein weißer PKW gesehen wurde.“
„Ein weißer oder beiger PKW“, korrigiert sie der Trainer. „Und davon gibt’s relativ viele in Wien.“
„Da hat er recht, der Trainer“, sage ich.
Aber Katharina bleibt dabei. Wir werden verfolgt, von einem weißen Citröen, mit - was weiß man? - dem Schlächter von Sechshaus am Steuer. Und der wird als nächstes nicht die Donna umbringen, denn die ist eine Frau, sagt Katharina, die jeden Tag in Drachenblut badet und folglich unverwundbar ist, sondern den Turbo, den Dampfplauderer aus der Piefkei, den Trainer oder mich.
„Und was ist mit dir?“ fragt der Trainer, als wir uns vorm Quell einparken. „Du bist aus’m Schneider?“
„Ich reiß ihm die Eier aus, so schnell kann der gar nicht schauen“, sagt Katharina und klettert aus dem Wagen.
Der Leichenwagen hält hinter uns. Kein weißer Citröen, auch kein anderes Fahrzeug ist ihm auf den Fersen.
„Jetzt ist er weg“, sagt Katharina.
Aber die Sache nagt an ihr. Sie faßt sich den verdutzten Turbo.
„Ist dir beim Herfahren was aufgefallen?“
„Ja“, sagt er. „Leider.“
Dann tippt sich der erklärte Drogengegner an die Nase und deutet mit dem Kopf auf Donna und Steve.
„Und euch?“ übergeht Katharina Turbos Wink.
„Habt ihr was gesehen?“
„Nö“, macht Steve. „Gab’s ’n UFO?“
„Meinst du den weißen Citröen?“ sagt Donna. „Ich hab zuerst geglaubt, der gehört zu uns. Und jetzt is er weg.“ „Doch’n UFO“, lacht Steve und macht für den Trainer und mich den Entertainer. „Vielleicht mit ganz vielen scharfen Bräuten an Bord. Und wir lassen die heißen Muschis ziehen. Scheiße, Jungs, was?“
„Ganz große Scheiße“, sage ich.
19
„Abgereist?“
„Abgereist“, bestätigt die Telefonistin.
„Sind Sie ganz sicher?“ sage ich. „Und sie hat keine Nachricht hinterlassen?“
„Nein, tut mir leid“, sagt die Telefonstimme ohne eine Spur von Mitgefühl. „Madame Thompson hat keine Nachricht hinterlassen.“
Ich lege auf.
Der Löskaffee schmeckt plötzlich wieder wie in der Zeit vor Marlene. Sensationell schlecht. Ich hole mir ein Bier aus dem Eis.
Kein langer Abschied in Pastell. Kein Sonntagnachmittag in Marlenes Gemächern, nackt unter saphirblauen Laken. Keine Mietwagenfahrt voll bedeutsamen Schweigens hinaus nach Schwechat. Keine letzte Umarmung am Flugfeld im Nebel.
An sich bin ich kein Freund des langen Abschieds. Aber bei Marlene hätte ich mit mir reden lassen. Und ihr plötzlicher, sang- und klangloser Abgang, der mir nicht den Funken einer Chance läßt, deprimiert mich.
Ich versuche mich zu erinnern, wie Kris Kristofferson diese Sonntagvormittage abbiegt, an denen man am liebsten stoned wäre. Ich glaube, er geht spazieren. Zum Kinderspielplatz und zur Sonntagsschule. Und weiter?
Die alten Schlager haben zwar viel Gutes, aber den entscheidenden heißen Tip, wie ich diesen Tiefschlag verwinden soll, haben sie nicht im Angebot.
Der Chevy hupt.
Der Trainer ist dran.
Die Wurstknödel, der Ersatz für die Hühnerschnitzel, die die Katzen gefressen haben, sind im Topf, und er will die 20 Minuten Kochzeit nutzen, um zu erfahren, was das gestrige Gespräch mit Donna gebracht hat. Denn nach dem mysteriösen Auf- und Abtauchen des weißen Citröen hat das Trainer-Paar, auf Drängen von Katharina, den Quell -Besuch storniert und ist nach Hause gefahren. Ohne weißen Citröen im Gefolge.
„Nix“, sage ich.
„Was heißt nix?“
„Nix.“
„Nicht gut drauf heute, Kurtl, was?“ sagt der Trainer. „Schwere Ölung?“
„Ich war um halb eins im Bett. Und ich leg mich jetzt gleich wieder hin. Ich glaub, ich krieg eine Grippe“, sage ich.
„Alles psychosomatisch“, sagt der Trainer.
Und weil ich mir jetzt nicht zwanzig Minuten lang anhören will, was des Trainers Hausapotheke gegen das Verschwinden von Marlene zu bieten hat, gebe ich ihm lieber einen Kurzbericht über den unerquicklichen Rest des gestrigen Abends durch.
Donna und ihr Plattenmann dürften sich in der Berufsschulgarderobe tatsächlich kräftig die Nase gepudert haben, denn beim Quell waren sie unsäglich laut und lustig. Donna war laut und Steve war lustig. Eine für den Außenstehenden absolut
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