Kurt Ostbahn - Kopfschuss

beim Wirten!“
    „Was soll ich dir dort erzählen?“, schaltet der Doc auf stur. „Vielleicht, dass der Trainer bis zum Hals in der Scheiße steckt, weil er sich mit einer Verrückten eingelassen hat?“ „Linda?“
    „Haben wir irgendeinen Hinweis auf die Existenz einer weiblichen Person dieses Namens gefunden? Ich kann mich nicht erinnern. Du etwa?“
    „Nein“, sage ich.
    Der Doc fängt an, mir auf die Nerven zu gehen. Das ist offenbar unvermeidlich, wenn wir mehr als zwei Stunden gemeinsam in einem Raum verbringen müssen. Zu unterschiedlich sind unsere Ermittlungsmethoden und zu gegensätzlich unsere Grundbedürfnisse. Der Doc braucht verknüpfbare Fakten und Informationen zum Glücklichsein, mir reichen wie gesagt ein kleines Gulasch und ein großes Bier.
    „Okay, Doc“, sage ich und bemühe mich um Gelassenheit in der Stimme. „Wir haben nix über eine Linda gefunden, aber du bist in dem Haufen Schmierzettel beim Telefon immer wieder auf einen Frauennamen gestoßen, der angeblich einer Verrückten gehört. Mehr hast du mir nicht gesagt. Was du weißt, hast du, sozusagen hinter vorgehaltener Hand, deinem Taschencomputer erzählt.“
    „Melanie“, sagt der Doc. „Der Name der Dame ist Melanie Echsner.“
    Dann hält er mir seine Gedächtnisstütze unter die Nase, was mich allerdings nicht wirklich weiterbringt, da ich meine Lesebrille daheim gelassen hab.
    „Und diese Melanie Echsner ist also verrückt?“, frage ich. „Ich habe sie vor einem halben Jahr bei der Pressevorführung von Wild Things, einem übrigens durchaus empfehlenswerten Thriller, kennen gelernt. Diese Frau ist von dem krankhaften Ehrgeiz besessen, die größte Enthüllungsjoumalistin des ausklingenden Jahrtausends zu werden. Noch arbeitet sie für eine TV-Programmzeitschrift und betreut redaktionell die Leserpost und eine Computerspiele-Kolumne. Ihr erklärtes Ziel ist es aber, der Welt in Bestsellern zu enthüllen, dass die Verschwörungstheorien der Akte X nur die Spitze des Eisbergs sind. Sie will ein globales Netz der Desinformation, Korruption und medialen Manipulation ausgemacht haben, das längst die Geschicke unseres Planeten lenkt.“
    „Verstehe“, sage ich. Dass diese Verschwörungstheorien auch dem Doc nicht fremd sind, ja sogar von ihm selbst stammen könnten, sage ich besser nicht dazu. Die Lage ist ohnedies schon angespannt genug.
    „Auf den Trainer jedenfalls macht sie wahrscheinlich den Eindruck einer intelligenten, weltgewandten und in kriminalistischen Fragen kompetenten Jung-Journalistin, die noch dazu blendend aussieht. So etwas imponiert ihm doch, oder?“ „Wahrscheinlich“, sage ich. „Aber was will er von dieser Melanie oder was will sie ausgerechnet vom Trainer, der zurzeit, wie wir wissen, an einer fröhlichen Tiergeschichte schreibt?“
    „Das zu klären wird eine unserer nun anstehenden Aufgaben sein“, meint der Doc. „Auffallend ist in jedem Fall, dass sich in seinem Zettel-Chaos neben Melanie Echsners Namen und Wiener Rufnummer eindeutige Hinweise auf das Burgenland finden. Oder wie würdest du Begriffe wie „Martini“ und „Martinshof“ sonst interpretieren?“
    „Keine Ahnung, Doc“, sage ich.
    Dass mir zu „Martini“ in erster Linie das gleichnamige Gansl und ein italienischer Vermouth einfallen, behalte ich vorerst für mich.

10. PARAISO DEL SUR,
MEXICO

    „Willkommen im Paradies, Mister Smith!“, strahlt Regina Grimes faltenlos.
    Die Dame des Hauses könnte neunundzwanzig, aber auch gut dreißig Jahre älter sein. Die kosmetische Chirurgie hat sämtliche Spuren, die Rückschlüsse auf ihr natürliches Alter und Aussehen zulassen, gründlich wegretuschiert.
    Als mich die Blondine mit der Maske auf der Freitreppe des Herrschaftshauses empfängt und in ihre Arbeitsräume bittet, trägt sie Cowboystiefel, mit Silber-Conchos verzierte Wildleder-Jeans, eine weiße Rüschenbluse und ein reich besticktes Bolero-Jäckchen. Ich rechne fest damit, dass jeden Moment eine Mariachi-Band in voller Montur die Freiluft-Bühne betritt, ein Lied der Prärie anstimmt und die Konversation zwischen der zeitlosen Lady und dem falschen Killer als Duett in bester Hollywood-Tradition abläuft.
    An der Kulisse würde es nicht scheitern, denn das Paraiso del sur ist tatsächlich nicht von dieser Welt: eine zur freundlichen Festung ausgebaute Hacienda inmitten einer grünen Oase mit Golfplatz, künstlich angelegten Teichen, Pferdekoppeln und einem Helikopterlandeplatz.
    Wenn der Gast das mächtige,