Kurt Ostbahn - Kopfschuss
elektronisch gesicherte Holztor passiert hat, steht er in einem Innenhof von der Größe des
Purkersdorfer Hauptplatzes und ist zuerst einmal überwältigt von der Blumenpracht, dem sorgfältig restaurierten Kolonial-Prunk der spanischen conquistadores und – vermutlich Regina Grimes’ Beitrag – einer unsäglichen Mischung aus Las-Vegas-Kitsch und texanischer Heustadl-Romantik.
In der Mitte des Hofes hat sich die Gutsherrin ihr eigenes Denkmal gesetzt: Der alte Brunnen wurde um eine Marmorplattform erweitert, aus der (nach Sonnenuntergang garantiert bunt beleuchtete) Wasserfontänen aufsteigen und die Alabaster-Statue einer Nixe umspielen, die grazil die Schwanzflosse hebt und unverkennbar die gestrafften Gesichtszüge der Erbauerin trägt.
Regina’s Paraiso del sur steht darüber auf einem Neon-Regenbogen in Neon-Lettern geschrieben, die aussehen wie tanzende Neon-Kakteen mit Sombreros auf dem Kopf.
„Der Duke fährt nur rasch den Wagen in die Garage“, sagt Regina, als wir durch die Empfangshalle des einstigen Herrschaftshauses zu den Aufzügen gehen. „Er stößt dann gleich zu uns. Ich hoffe, Sie hatten heute eine angenehme Fahrt? Ich habe von Ihrem gestrigen Missgeschick mit dem Mietwagen gehört. Tut mir Leid. Aber ich kann Sie beruhigen, Mister Smith: Der hirnlose Wichser von der Autovermietung, der Ihnen die Scheißkarre angedreht hat, ist seinen Job bereits seit zwei Stunden los. Und seine Eier auch, wenn mein Mitarbeiter in Nuevo Laredo heute seinen schlechten Tag hat!“
„Oh“, sage ich, weil sich meine vage Vermutung, dass Regina Grimes in ihrem Leben nicht immer Gutsherrin gewesen ist, so rasch und unüberhörbar bestätigt hat.
Die noblen Informationstafeln in der Liftkabine weisen den p.p. Gast auf die breite Palette von paradiesischen Vergnügungen hin, denen man bei Madame Regina frönen kann. Das offizielle Angebot umfasst Ausritte in die Wüste auf dem Rücken edelster Apaloosa-Hengste, drei Bars und zwei Restaurants (wobei für das Speiselokal in der ehemaligen Kapelle Tischreservierungen bereits am Vorabend notwendig sind), ein Spielkasino mit 24-Stunden-Betrieb, den Paraiso-Nightclub mit seinen charmanten Escort-Girls, Sauna, Massagen aller Art, Indoor-Pool sowie BBQ am Lagerfeuer und Fischen im hauseigenen Forellenteich.
„Wir haben eine exklusive Klientel, die größten Wert auf Diskretion legt“, ist Regina nach ihrem kurzen Ausrutscher ins tiefere Fach nun wieder ganz Dame des Hauses. „Viele meiner Gäste kommen übers Weekend und tun das nicht in Begleitung ihrer Ehefrauen, wenn Sie wissen, was ich meine, Mister Smith.“
Wir gehen einen langen, mit Mahagoni getäfelten Gang entlang, den die Ahnengalerie eines spanischen Adelsgeschlechts ziert. Düstere Porträts hohläugiger, anämischer Männer und Frauen mit steifen Halskrausen und ebensolcher Körperhaltung.
„Die liebe Familie?“, frage ich.
Regina Grimes wirft mir einen ziemlich kühlen Blick zu und ihre Silikonlippen werden zu dünnen Strichen. Die Lady hat den Test nicht bestanden. Sie ist leider völlig schmähfrei. Und das kann mich nur in noch größere Schwierigkeiten bringen.
„Das sind die Escobar-Fraunfeldts“, sagt sie. „Ein Eduardo Escobar-Fraunfeldt hat die Hacienda vor hundertfünfzig Jahren oder so gebaut. War ein Höfling vom mexikanischen König oder Kaiser.“
„Kaiser Maximilian, der Erzherzog von Österreich?“
„Keine Ahnung“, sagt Regina. „Der Typ, dieser Eduardo, ist dem König oder Kaiser jedenfalls ziemlich auf den Sack gegangen, am Hof, unten in Chapultepec, und da hat er ihm das ganze Land hier in der Gegend geschenkt und ihn sozusagen in die Wüste geschickt. So ähnlich ist das damals gelaufen. Ich hab die Hacienda von meinem Mann geerbt. Jonathan Grimes III. Die Grimes machen seit Generationen in Kunststoffen, Nylon, Perlon, Dralon, das ganze Synthetikzeug, oben in Baltimore. Kennen Sie Baltimore, Mister Smith?“ „Leider nein“, sage ich.
„Scheußliche Stadt“, sagt Regina. „Kein Wunder, dass dort nur Arschlöcher leben. Wissen Sie, ich komm aus dem Süden. Alabama. Und ich mag den Norden nicht. Ich mag die Leute ganz einfach nicht. Sie sind nicht so wie wir. Woher kommen Sie, Mister Smith?“
„Wien“, sage ich.
„Wie?“
„Wien. Vienna. Austria.“
„Vivien Naustria? Nie gehört. Is das da ganz oben? Pennsylvania, Maine oder so?“
„Noch ein schönes Stück weiter im Osten.“
„Warum sagen Sie nicht gleich, dass Sie aus Kanada kommen,
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