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Kurt Ostbahn - Peep- Show

Kurt Ostbahn - Peep- Show

Titel: Kurt Ostbahn - Peep- Show Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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Geschoß getötet, das wahrscheinlich aus nächster Nähe in ihr Gesicht abgefeuert wurde und sofort danach explodiert ist«, mischt sich Bettina ein. »Dadurch erklärt sich auch das Ausmaß der fazialen Verstümmelung. Ob es sich um eine Gewehrpatrone oder eine Revolverkugel gehandelt hat, konnte bisher nicht festgestellt werden, da interessanterweise keinerlei Metallrückstände, sondern nur Spuren des Sprengmittels gefunden wurden. Höchst ungewöhnlich.«
    Dem Trainer fällt fast die Bierflasche aus der Hand. Er starrt fassungslos in Bettinas unschuldig lächelndes Gesicht und wendet sich dann fragend dem Doc zu.
    »Schau nicht so«, sagt der Privatgelehrte. »Sie ist Pathologin - das heißt, noch nicht ganz, aber bald. Und sie hat Freunde in der Gerichtsmedizin.«
    »Wir haben uns im Narrenturm kennengelernt«, strahlt Bettina den Trainer an.
    »Das paßt«, sagt der nur.
    »Blöde Bemerkungen sind hier völlig unangebracht«, rügt ihn der Doc. »Wie jeder weiß, befindet sich im Narrenturm des alten AKH das pathologisch-anatomische Bundesmuseum, einer meiner liebsten Studienorte. Es gibt kaum etwas Aufschlußreicheres als Tod und Krankheit; aber darin erschöpfen sich unsere gemeinsamen Interessen auch schon.«
    Der Trainer setzt einen zweifelnden Blick auf. »Wie du meinst«, sagt er. »Aber jetzt muß ich einmal telefonieren.«
    »Graz?« fragt Trash bissig.
    »Wirst schon sehen«, gibt der Trainer zurück und schnappt sich den Hörer.
    ***
    »Kumm, Trainer, erspar mir wenigstens du die ganze Suderei. Die hör i heut scho den ganzen Tag. Plötzlich hat jeder mein Rikki gern ghabt, was haaßt: geliebt hams sies! Und jetzt sans alle fassungslos und tief getroffen. Verlogene Bagasch. I sag dir, wias wirklich war: Pudert und danach in Arsch treten hams mei Klane! So schauts aus! Gholfen hat ihr kana von die miesen Haberer. Ausgnutzt schon, aber gholfen ned ein einziges Mal!«
    Die Rosi hustet in den Hörer. Der Trainer, der das Telefonat mit einer umständlichen Beileidsbekundung eröffnet hat, schweigt.
    Die von unzähligen Halbweltlegenden umrankte Espressobesitzerin, erinnert er sich, hat immer nur gehustet, nie geweint. »Nur nix anmerken lassen«, war stets ihre Devise. Seinerzeit, als Marktamt und Gesundheitspolizei ihr erstes Espresso Rosi geschlossen haben, reagierte sie nicht anders. Das Lokal war sozusagen ihr Leben und in den 70er Jahren Hauptquartier der Ostbahn-Partie. Und als der behördliche Bescheid kam, sagte sie nur: »Aus is, Burschen. Aber do muaß ma durch.« Und dann hat sie gehustet.
    Die zwei bis drei Schachteln Chesterfield und die vielen Fernet oder Scharlachberg nach dem fetten Essen — und zu späterer Stunde gegen den Durst — haben ihrem Bellen seine unverkennbare Note gegeben. Inzwischen hat sich die Rosi auf zwei Schachteln Marlboro light runterdosiert, und Magenbitter oder Weinbrand sind aus gastritischen Gründen gestrichen. Ihr Husten und ihre Stimme legen aber noch heute, trotz der selbstauferlegten Zurückhaltung, deutlich Zeugnis ab von funfundvierzig Jahren Nachtleben der exzessiven Art.
    »Weiß eigentlich der Kurtl scho, wos gschehn is?« fragt die Rosi, nachdem sie ihren Hustenanfall mit dem Anzünden einer leichten Marlboro niedergekämpft hat. »Wo steckt denn der Flohbeidl überhaupt?«
    »Der is versumpft. In Louisiana«, sagt der Trainer.
    »Typisch. Und du? Wann schaust du vorbei?«
    »Jederzeit«, meint der Trainer und weiß aus langjähriger Erfahrung, was die Rosi jetzt gleich sagen wird.
    »Weil es gibt da ein paar Sachen, über die redt ma ned am Telefon.«
    ***
    Wien-Ottakring. Das sechste Espresso Rosi in einer langen bewegten Karriere. In seiner neuesten Inkarnation ist das traditionsreiche Etablissement ein diskreter, charmanter Single-Treff im schönen Liebhartstal. Chet Baker singt »Everything happens to me«. Der Trainer und Dr. Trash haben sich soeben an der Bar eingeparkt und bei der Rosi ihre Wünsche deponiert: einen großen Jameson mit ganz wenig Eis (Trainer), einen Tequila mit Orange und Zimt (Trash). Der Trainer eröffnet seinem immer noch stark nach Chemiewerk duftenden und offenbar in düsteren Gedanken schwelgenden Ermittlungspartner stolz, daß er für das musikalische Ambiente von Rosis schummriger Plüsch-Bar verantwortlich zeichnet. In nächtelanger Kleinarbeit hat er Cassetten angefertigt, die den kontaktsuchenden Herrn und die nach Zweisamkeit dürstende reifere Dame mit sinnlichen, unaufdringlichen, aber wohlbekannten Melodien

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