Kurt Ostbahn - Platzangst
hat?“ frage ich meine beiden Mitarbeiter.
Alex und Ronnie wechseln bedeutungsvolle Blicke und grinsen extrabreit.
„Logo“, sagt Ronnie, „Den kennt doch jeder. Du ned?“ „Ned persönlich. Und selbst das erst seit heut nachmittag.“ „Du mußt nur einmal beim Ronnie aufs Klo gehen“, sagt Axel, „dann weißt du alles.“
Weil ich aber nicht warten will, bis mich das Schicksal eines schönen Tages auf Ronnies Toilette führt, bitte ich um Aufklärung. Während Ronnie nur schmutzig grinst, weiß Axel zu berichten, daß auf Ronnies Klotür ein Poster hängt, das bisher noch keinen Gast, egal ob Mann oder Frau, unbeeindruckt gelassen hat.
„Stell dir vor, du hockst auf dem Scheißhaus und dir gegenüber sitzt lebensgroß eine megageile Blondine am Thron, komplett mit solchen Titten und in den schärfsten Dessous, und die Blondie wirft dir monroemäßig eine Kußhand zu, während ihre Beine mit einem Gartenschlauch an der Klomuschel festgebunden sind. Typisch Knapp halt. Der Typ macht ja nur solche Bilder. Und typisch Ronnie. Weil ich tät mir so ein Poster nicht aufs Häusl hängen“, sagt Axel und stößt Ronnie mit dem Ellenbogen an. „Da fallt dir nix mehr ein, gelt, Kurtl?“
Ich könnte den beiden berichten, daß mir dazu sehr wohl was einfällt, nämlich daß seinerzeit, als ich zirka in ihrem Alter war, ein Poster mit einem ähnlichen Motiv so manche Klotür rebellischer junger Männer geschmückt hat. Nur saß damals keine Blondine am Scheißhaus sondern Frank Zappa.
Aber der Herr Josef bringt die beiden Krügel und unterbricht meine Überlegungen über den Wandel von Werten im Wandel der Zeiten, noch bevor ich sie den Burschen mit auf ihren Lebensweg geben kann.
„Apropos“, sagt der Herr Josef, „bevor ich vergiß. Einen schönen Gruß soll ich ausrichten, Herr Kurt, von dem Kieberer, wo mir jetzt der Namen nicht einfallt. Er war heut in der Gegend, hat vom beim Kaindl was besorgt fürn Garten und hat dann auf einen Kaffee vorbeigschaut. Sie wissen eh, wen ich mein, von damals, wie das mit dem Rudi war. Er is jetzt in der Renten, hat er gsagt, und richtet der Lebensgefährtin ein bißl das Gartenhäusl her, oben am Schafberg.“ „Ahso, der Brunner“, sage ich möglichst beiläufig zum Herrn Josef. „Wie geht’s ihm denn?“
Und mir sage ich, daß es kein Zufall sein kann, daß der Brunner genau dann wieder in meinem Leben auftaucht, wenn grad eine Leiche verschwunden ist.
11
An der Türschnalle klebt Blut. Frisch und rot.
Eigentlich sollte mich heute nix mehr erschüttern, aber so ganz unbeeindruckt läßt mich der Anblick dann doch nicht. Das Haustor fallt hinter mir mit einem lauten Knall ins Schloß, und ich zucke zusammen, schockfarbene Blitze vor den Augen und eine eiskalte Faust im Nacken. Garnicht zu reden von dem Tumult, der sich im Magen und in den Gedärmen abspielt.
Im Stiegenhaus brennt Licht, und da ist noch mehr Blut. An der Wand neben dem Minutenlichtschalter und auf dem Boden. Der rote Fleck an der Mauer hat eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Batman-Logo, aber was sollte der Flattermann ausgerechnet in der Reindorfgasse, der hat in Gotham City alle Hände voll zu tun. Die Blutstropfen auf dem Boden und der Treppe sind zirka so groß wie Fünf-Schilling-Münzen. Ich zähle 17 davon, bis ich im zweiten Stock leises, aber beständiges Fluchen höre und energische Schrubbgeräusche.
Gitti Kaltenbeck kniet neben einem Lavoir mit schäumendem Wasser vor ihrer Wohnungstür reibt mit einem rauhen Waschel einen Blutfleck vom Türstock. Sie hat mir dabei den Rücken zugedreht, aber ich erkenne auch so, daß sie mit einer ziemlichen Wut im Bauch an der Arbeit ist. Arschloch, Hundsgfrast und Saftsack sind die wenigen Ausdrücke, die ich hier schriftlich festhalten kann, der erhebliche Rest ihrer Litanei würde diese Aufzeichnungen in den Bereich der harten Pornografie rücken. Gittis Fluchen korrespondiert so überhaupt nicht mit ihrem zartrosa Bademantel, auf dem viele blaue Elefanten mit sehr großen Ohren fliegen. Ich denk grad drüber nach, ob diese Elefanten Jumbo oder Tumbo heißen, als Gitti den rauhen Waschel in die Emailwanne mit dem leicht schäumenden zartrosa Wasser pfeffert, sich aufrichtet und dabei meiner gewahr wird.
Kein erschrockener Aufschrei, kein panisches Zittern und Beben. Ganz im Gegenteil. Gitti wischt sich bloß mit dem Handrücken eine blonde Strähne aus dem Gesicht, und daß sie dabei türkisfarbene Gummihandschuhe trägt, gibt dieser Geste
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