Kurtisanen leben gefaehrlich
endlich genügend Mut gefasst hatte, um den Saal zu betreten, spürte ich, wie die Blicke der Versammelten auf mir ruhten. Manche von ihnen waren unverhohlen neugierig, andere feindselig und nicht wenige bewundernd.
Ich kannte die meisten der Gäste ebenso gut, wie ich auch ihnen bekannt war und dies war der Grund, aus dem sich bei meinem Eintreten ein leises, unangenehmes Raunen ausbreitete. Für eine Kurtisane war ich für lange Zeit der Gesellschaft ferngeblieben. Und nun tauchte ich ausgerechnet an diesem Ort und zu dieser Zeit wieder auf, gleich einer versunkenen Stadt, die nach langer Zeit dem Meer entstieg.
Fast taten mir diese Leute leid, die sich nun in endlosen Spekulationen ergehen mussten. Ich genoss meinen Auftritt trotz meines ungewissen Schicksals und setzte meinen Weg ungerührt fort, während ich mein charmantestes Lächeln nach allen Seiten erstrahlen ließ. Es war Zeit, mit dem Schauspiel zu beginnen. Ich suchte mir eines der feinen Kristallgläser mit dem blutroten Wein aus, um in angemessener Weise auf den Hauptdarsteller zu warten.
Tatsächlich enttäuschte der Fürst sein Publikum nicht und trat bald auf eine kleine Galerie, um sich bewundern zu lassen – ferner selbstverständlich auch, um mit einigen Worten den Ball zu eröffnen. Ebenso wie die anderen Teilnehmer an dem Spektakel des Fürsten, blickte ich nach oben, um ihn zum ersten Mal aus der Nähe zu betrachten.
Pascale Santorini war sicherlich gut und gerne zehn Jahre älter als Andrea Luca, glich ihm aber auf erschütternde Weise. Er besaß das gleiche dichte, glänzend schwarze Haar und die gleichen unergründlich dunklen Augen wie sein jüngerer Neffe. Ein gepflegter Bart zierte sein Gesicht und umrahmte volle Lippen, die einen harten Zug besaßen und somit selbst ein Lächeln mit einem Hauch von Grausamkeit untermalten. Diese Eigenheit wurde auch in seiner Stimme offenbar, die zwar angenehm klang, aber gleichzeitig etwas Einschüchterndes besaß.
Pascale war gut gebaut und so manche Signorina blickte sehnsuchtsvoll zu ihm hinauf, wohl von dem stillen Wunsch beseelt, dass er seine Ehefrau Giulia für sie verlassen möge. Doch ich vermochte es nicht, diesen Wunsch mit ihnen zu teilen. Die Selbstsicherheit, die der Fürst ausstrahlte, war beängstigend. Nicht einmal bei Andrea Luca hatte ich Derartiges erlebt und ich spürte, wie ich innerlich zu zittern begann. Dieser Mann war gefährlicher als alles, was mir in meinem bisherigen Leben begegnet war. Er war kalt, berechnend und von einer Intelligenz erfüllt, die unfassbar schien.
Die Musik spielte auf und vertrieb die Kälte aus meinen Gliedern. Die Tänze begannen und Paare bildeten sich, um sich einzureihen. Es hatte keinen Sinn, den Fürsten stundenlang zu beobachten und seine Aufmerksamkeit damit früher oder später auf mich zu ziehen, denn das würde seine Pläne sicherlich kaum vereiteln.
Ich fragte mich, wo Andrea Luca stecken mochte. Es war eine seiner Eigenarten, auf Festlichkeiten zu spät zu erscheinen. Ich glaubte jedoch nicht, dass er es bei einem Fest des Fürsten wagen würde. Gleichzeitig konnte ich mir allerdings nicht vorstellen, dass er an diesem Abend nicht anwesend sein würde. Und wer würde ihn begleiten? Ein zarter Stich begleitete diesen Gedanken.
Suchend ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, bis er sich auf das weiße Seidenkleid einer Artista heftete, die mich zu beobachteten schien. Ein genauerer Blick bestätigte meinen Verdacht. Es war Alesia della Francesca, die sich diese Festlichkeit nicht entgehen ließ. Ihr süßes, unschuldiges Gesicht war zu einem grausamen, triumphierenden Lächeln verzogen, das so manchen unwissenden Beobachter verwundern mochte und das Blut wich spürbar aus meinem Gesicht. Ich war mir sicher, dass Alesia wusste, aus welchem Grund mich der Fürst eingeladen hatte.
Mein Magen verknotete sich. Sie löste sich von ihren Gesprächspartnern und schlenderte aufreizend selbstbewusst zu mir hinüber. Ich rang für einen Augenblick um meine Fassung und blickte ihr dann ebenfalls mit einem kühlen Lächeln entgegen.
Alesia verschwendete keine Zeit, ganz im Gegenteil. Auf meiner Höhe angelangt, hielt sie beiläufig inne und ihr Lächeln strahlte blendender als die Lichter des Saales. Ihre Stimme war leise und frohlockend. Es war nur ein einziger Satz, den sie mir zuflüsterte: »Ihr hättet auf mich hören sollen,
Ginevra
, ich habe Euch gewarnt.«
Sie kicherte hell und ging an mir vorbei, weiter in Richtung des
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