Kurtisanen leben gefaehrlich
Nachrichten, Signorina. Die Almira, das Schiff der Prinzessin, wird am frühen Morgen in See stechen und in Richtung Marabesh segeln. Zu diesem Zeitpunkt werden wir bereits einen guten Vorsprung besitzen.«
Ich sah den Narbenmann verwirrt an und wusste nicht recht, was ich von dieser Offenbarung, die er wohl als ausgesprochen wichtig empfand, halten sollte. Schließlich hatte er es bis zu diesem Augenblick nicht für nötig gehalten, mich überhaupt über seine Pläne zu informieren. Also verstand ich nicht, was er nun von mir erwartete. Als er keine Anstalten machte, noch etwas hinzuzufügen, hielt ich es für angebracht, meinerseits Fragen zu stellen. Allerdings erwartete ich keine brauchbare Antwort.
»Das bedeutet, dass wir das Land vor der Prinzessin erreichen werden. Der Zweck all dessen bleibt mir jedoch verschlossen. Dürfte ich erfahren, wie Ihr diese Information erlangt habt?«
Verducci überhörte den ersten Teil meiner Frage geflissentlich und schwieg für einen langen Augenblick, bevor er mir die Gnade einer Antwort gewährte. Seine Hand strich nachdenklich über sein bartloses Kinn.
»Nun, ich habe die Erfahrung gemacht, dass Brieftauben ein probates Mittel für meine Zwecke darstellen ...«
Er zögerte kaum merklich, bevor er weitersprach.
»Was Euren Aufenthalt auf meinem Schiff angeht, so dient er in erster Linie dazu, Euch am Leben zu erhalten. Das wisst Ihr bereits.«
Eine erschöpfende Auskunft. Schulterzuckend wandte ich meine Aufmerksamkeit von dem Kapitän ab und blätterte in meinem Buch, was ihn fassungslos zu mir hinüberblicken ließ. Es war mir gleichgültig. Wenn er seine Geheimnisse für sich behalten wollte, so durfte er nicht damit rechnen, dass ich Begeisterung über seine gnädigen Informationsfragmente verspürte. Vollkommen in das Buch vertieft, sandte ich nur noch eine letzte Bemerkung in seine Richtung, bevor er den Raum verließ.
»Sofern Ihr Euch dazu durchringen könnt, mir mehr über Eure Pläne zu offenbaren, stehe ich Euch gerne zur Verfügung, Signore. Bis dies aber eintritt, wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr mich mit Euren bruchstückhaften Informationen verschonen würdet. Ich bin des Rätselratens müde.«
Verducci hielt inne und schien noch etwas erwidern zu wollen, doch dann drehte er sich um und stürmte aus dem Raum. Die Tür fiel mit einem lauten Knall in das Schloss. Ich gönnte mir ein kleines Lächeln, bevor ich weiterlas.
Der Narbenmann war eine solche Behandlung sicher nicht gewohnt, doch das kümmerte mich nicht. Ich mochte es nicht, wenn mit mir gespielt wurde, insbesondere dann nicht, wenn es um mein Leben ging. Verducci mochte sich in seiner Selbstgerechtigkeit für den einzigen Betroffenen dieser Sache halten, aus welchem Grunde auch immer er darin verwickelt war, doch dies war keine Entschuldigung für sein Benehmen.
Es musste einige Zeit vergangen sein, denn ich konnte durch das Bullauge sehen, wie die Sonne langsam im Meer versank und das Licht des Tages nachließ, als es erneut an die Tür der Kajüte klopfte. Hatte Domenico Verducci sich doch dazu entschlossen, mir seine Geheimnisse anzuvertrauen?
Ich bat den vor meiner Tür Stehenden höflich, doch einzutreten und sah mich zu meinem Erstaunen einer zarten Frau gegenüber, die ein Tablett in den Händen trug und mich mit einem misstrauischen Blick eingehend musterte. Sie war zweifelsohne sehr hübsch und wirkte exotisch. Langes, schwarzes Haar floss glänzend über ihre Schultern und rahmte ein feines Gesicht mit großen, dunkel betonten Augen, die beinahe wie Kohlestücke wirkten und von langen Wimpern umkränzt wurden. Ihre Haut besaß einen bronzefarbenen Ton und sie legte eine erstaunliche Anmut an den Tag, die selbst von den Männerkleidern an ihrem schlanken Leib nicht beeinträchtigt wurde.
Ich hatte auf diesem Schiff sicherlich mit allem gerechnet, jedoch nicht mit einer anderen Frau, die unter den Seeleuten lebte. War dies etwa Verduccis Geliebte? Sie war schön genug, um einem Mann den Kopf gehörig zu verdrehen.
Ich schenkte der Fremden ein freundliches Lächeln und dankte ihr, nachdem sie das Tablett mit den Speisen abgestellt hatte. Doch sie machte keinerlei Anstalten, ein Wort mit mir zu wechseln und hüllte sich weiterhin in Schweigen. Wenn ich aber nicht die einzige Frau auf diesem Schiff war, so würde ich nicht einfach klein beigeben, bevor ich nicht wenigstens ihren Namen erfahren hatte.
Ich erhob mich von meinem Platz und trat einige Schritte auf sie zu,
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