Kurtisanen leben gefaehrlich
was ihren Gesichtsausdruck noch abweisender werden ließ.
»Ich danke Euch, Signorina. Verzeiht, wenn ich Euch neugierig erscheine, doch ich würde gerne Euren Namen erfahren. Ich habe keine Frau an diesem Ort erwartet.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah zu mir empor. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie um einiges kleiner war, als ich selbst, dabei aber auf merkwürdige Weise größer erschien.
»Man nennt mich Sadira. Und ja, ich war die einzige Frau auf diesem Schiff, bevor Ihr gekommen seid.«
Ihre Stimme war dunkel und weich wie schwarzer Samt. Wenn sie sprach, fühlte man sich unweigerlich an Gesang erinnert, selbst wenn nur wenige Worte ihre Lippen verließen. Ich meinte, einen leisen Vorwurf herauszuhören, wenn ich mir auch keinen Reim darauf machen konnte. Ich war nicht aus freiem Willen hier und wollte kaum für immer bleiben.
Sadira jedoch störte sich offensichtlich nicht an dieser Tatsache und ließ mich nach ihrer knappen Auskunft einfach stehen. Ich wunderte mich darüber, was ich der Frau getan haben mochte und sah mir dann mit einem ergebenen Seufzen das Essen näher an. Vielleicht war sie an einem anderen Tag gesprächiger und bis dahin würde mir ein gefüllter Magen keineswegs schaden.
Die nächsten Tage verbrachte ich damit, mir das Schiff näher anzusehen. Es würde einige Zeit dauern, bis wir Marabesh erreichten und so hatte ich genügend Muße, die rauen Gesellen und ihre Arbeit näher kennenzulernen. Obgleich der eine oder andere gelegentlich eine zotige Bemerkung über mein früheres Leben machte, lernte ich mit ihnen zu lachen und erfuhr einiges über das Handwerk eines Seemannes, während ich ihnen bei ihren täglichen Aufgaben über die Schultern sah. Es dauerte nicht lange, bis ich meine anfängliche Scheu verloren hatte.
Die Seefahrt übte einen eigenen Reiz aus, das musste ich zugeben. Es war ein wundervoller Anblick, wenn man beobachtete, wie sich am Horizont das schimmernde Wasser und der blaue Himmel trafen und zu einer Einheit verschmolzen. Die Seeluft war frisch und rein. Oft schmeckte ich das Salz auf den Lippen, wenn sie besonders feucht war und ich gewöhnte mich an das sanfte Schaukeln des Schiffes unter meinen Füßen und passte meinen Gang daran an, um besseren Halt zu finden.
Ich war seit jenem ersten Tag selten mit Verducci zusammengetroffen, der hier schlicht »Der Kapitän« genannt wurde und ich hatte das Gefühl, das er mir absichtlich aus dem Weg ging. Ab und an erreichte eine Taube das Schiff und wurde von ihm in Empfang genommen. Welche Nachrichten sie brachte, erfuhr ich jedoch nie. Ich nahm an, dass er es mir mitteilen würde, wenn es mich oder Andrea Luca betraf, obgleich dieser Gedanke womöglich naiv war.
Andrea Luca. Das war eine Kleinigkeit, über die ich nur sehr ungern nachdachte.
Beinahe wünschte ich mir, Kontakt zu Alesia aufnehmen zu können, um zu erfahren, wie es ihm erging und was er tat. Ich neidete der Artista diese Möglichkeit. Doch andererseits mochte es besser sein, wenn ich nichts von seinem Tun erfuhr. Es wäre unerträglich, zu sehen, wie er und Delilah sich auf ihrer gemeinsamen Reise näherkamen.
Erst jetzt, da ich von allem, was mein früheres Leben ausgemacht hatte, Abstand gewann, wurde mir bewusst, dass das Leben einer Kurtisane nicht mein Weg war. Eine Kurtisane musste ihren Geliebten stets mit einer anderen Frau teilen. Aber das konnte ich nicht mehr, wenn echte Gefühle ins Spiel kamen, die über eine reine Geschäftsbeziehung hinausgingen.
Ich hatte mir niemals vorstellen können, dass mir solcherlei jemals geschehen würde. Signorina Valentina hatte Smeralda und mich immer davor gewarnt. Sie pflegte jederzeit zu betonen, dass eine Kurtisane keine eigenen Gefühle oder Besitzansprüche haben durfte. Wir waren dazu verdammt, ein Schattendasein hinter den Ehefrauen zu führen und durften niemals darauf hoffen, selbst eines Tages geheiratet zu werden. Denn welcher Mann würde eine Frau mit unserer Vergangenheit zu seiner Frau nehmen? Wir waren Unterhaltung für die Reichen. Darauf ausgerichtet, ihnen die Wünsche von den Augen abzulesen und die perfekte Gesellschaft zu sein. Schön, gebildet und bewandert in Dingen, in denen es ihre Gemahlinnen nicht waren, wofür wir letzten Endes reich entlohnt wurden.
Es war traurig, darüber nachzudenken, wie leer das Leben einer Kurtisane in Wirklichkeit war. Aber was konnten wir uns anderes erhoffen? Kaum eine von uns kam aus höheren Kreisen, also war dies das
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