Kurtisanen leben gefaehrlich
keinen anderen Grund vorstellen, aus dem sie mir eine solche Frage stellen würde und überlegte für einen Augenblick.
Es war in der Tat ungewöhnlich für eine Fremde, an solcherlei zu denken. Vielerorts empfand man die Künste einer Kurtisane nicht unbedingt als erstrebenswert und schicklich, zumindest nicht offen. Sadira musste tatsächlich sehr verzweifelt sein. Nun, von der Reaktion Domenicos auf ihre Avancen zu schließen, war dies auch angebracht. Er nahm kaum von jemand anderem, als von seiner eigenen Person, Notiz.
»Ich habe mein Wissen nie weitergegeben, aber ja, es wäre möglich, denn in meinem Land ist es nicht verboten, diese Künste zu lehren. Aber warum, Sadira? Liebt Ihr ihn so sehr?«
Es war nur eine einfache Frage, wenn man bedachte, dass man Kurtisanen außerhalb von Terrano und Mondiénne als unehrenhaft ansah, doch sie ließ die Schultern der Frau in einem halb unterdrückten Schluchzen erbeben. Sie nickte stumm und sah mich flehentlich an.
Wie lange hatte sie schon die Kälte Verduccis und seine düsteren Launen ertragen müssen, um an solche Möglichkeiten zu denken? Aus ihren Fragen entnahm ich, dass Kurtisanen in ihrem Land eine andere Stellung einnahmen, als in dem meinen – sie mussten verhasst sein, sofern es sich hierbei nicht um Sadiras subjektive Einstellung handelte.
Ich wollte sie trösten und strich sanft über ihren Arm, was sie zuerst zurückzucken ließ, bevor sie mir mehr Vertrauen schenkte. Mitleid breitete sich in meinem Herzen aus.
»Ich werde Euch helfen, wenn es in meiner Macht steht, aber versprechen kann ich Euch nichts. Liebe lässt sich niemals erzwingen, auch mit den Mitteln einer Kurtisane nicht. Aber bitte sagt mir, wie Ihr hierher gelangt seid. Die Ozeane sind nicht immer Eure Heimat gewesen, nicht wahr?«
Sie schüttelte den Kopf und wischte sich über das feuchte Gesicht. Ich wartete still ab, was sie mir erzählen wollte und übte keinerlei Druck auf sie aus. Wenn die Mauern einstürzen sollten, dann musste es aus ihrem eigenen Antrieb heraus geschehen.
Die Minuten vergingen, während Sadira in die Leere starrte und sich vor ihren Augen Szenen abspielten, die ich nicht zu sehen vermochte. Als die Worte endlich kamen, richtete sich ihr Blick auf mich und ihre dunklen Augen ließen mich erst los, nachdem ihre Stimme verstummt war.
»Die Ozeane waren nicht immer meine Heimat, nein, doch nun sind sie dazu geworden und ich möchte nirgends anders mehr sein. Ich erinnere mich noch an früher, als ich eine Tochter der Sarmadee war und in ihrem Tempel diente. Ich war eine Heilerin damals, so würde man dies bei Eurem Volk nennen, und so traf ich auf ihn, als er in das heilige Haus gebracht wurde.
Kaum mehr am Leben war er und sein hübsches Gesicht blutüberströmt von der langen Wunde, die ihn auf ewig zeichnen wird. Ich wachte Tag und Nacht bei ihm und gab ihm meine Kraft, die ihn nach langer Zeit zu den Lebenden zurückbrachte.
Ich wusste, dass sich mein Leben für immer verändert hatte, als ich den Kapitän zum ersten Mal erblickte, denn Sarmadee sandte mir einen Traum in der Nacht, dass mein Platz für immer an seiner Seite sein würde und ich glaube daran.«
Sadira seufzte leise auf, bevor sie ihre Geschichte fortsetzte, in einer Erinnerung verloren, die vielleicht auch für mein Schicksal bedeutsam war. Ihre Stimme klang, als sei sie weit entfernt, nahezu träumerisch. Ich bemerkte, dass ich nervös wurde, während sich das Geheimnis Domenico Verduccis ein wenig weiter erschloss.
»Nachdem er gesundet war, wusste ich, dass er mich verlassen würde, aber ich ließ es nicht zu. Ich folgte ihm, verließ den Tempel und blieb von da an immer an seiner Seite, wie es meine Bestimmung ist. Er sieht mich als seinen Glücksbringer, so nennt er mich oft, und nicht mehr als das. Ich habe ihm geholfen, dieses Schiff zu finden und die Mannschaft anzuheuern, mit der er nun schon seit Jahren über die Meere reist, auf der Suche nach einem Ziel, das ich nicht kenne.«
Sie stockte und sah in die Ferne, ohne etwas zu sehen. Ihre Augen waren blind für ihre Umgebung. Sie sahen in die Vergangenheit und schon lange verblasste Bilder erwachten in ihrem Kopf zu neuem Leben.
»Er hat mir nie gesagt, was ihm widerfahren ist und wer ihm diese Wunde zugefügt hat, aber er ist bitter geworden, bitter und grüblerisch. Ich weiß nicht mehr über ihn, als dass sein Vater ein reicher Kaufmann war und dass er sein Land wegen einer verlorenen Wette mit einem Adeligen verlassen
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