Kurtisanen leben gefaehrlich
dachte ich also mit Grauen an die engen Mieder, die ich zuhause in Terrano täglich getragen hatte, und war dankbar für die lose, helle Kleidung, die die Frauen in der Wüste trugen und die mich nicht allzu sehr einengte.
Bahir und seine Männer waren schon früh am Morgen nach unserem Gespräch zu ihrer Jagd aufgebrochen und ich fragte mich, welcher Art ihre Beute wohl sein mochte. Es war schwer zu glauben, dass die Männer in der Wüste nach Tieren jagen würden und das Glitzern in Bahirs Blick hatte von anderen Dingen gesprochen.
Es war in der Tat ein erhebender Anblick, als die stolzen Wüstensöhne auf ihren edlen Pferden und bis an die Zähne bewaffnet, ausgezogen waren. Aber trotzdem hatte er eine kalte, spitze Nadel der Furcht in meinem Herzen zurückgelassen, die sich beständig bemerkbar machte.
Was, wenn sie in der Wüste auf Andrea Luca trafen? Es war nicht unwahrscheinlich, dass er ebenfalls aufgebrochen war und sich auf dem Weg zum Sommerpalast befand. Ich hatte Bahir nichts von ihm erzählt und so blieb die Unsicherheit. So, wie er von dem Sultan gesprochen hatte, würde der zukünftige Mann an Delilahs Seite ein vortreffliches Ziel für seine ganz persönliche Rache abgeben.
Doch es gab noch weitaus mehr, was mich an diesem Tag beunruhigte. Bahir hatte die Wahrheit gesprochen, als er mir sagte, dass die alte Hanifah jedes Wort verstehen würde, das ich zu ihr sprach. Sie weigerte sich zwar beharrlich, Terrano zu sprechen und murmelte stets in der Sprache des Wüstenvolkes, wenn sie mir die Dinge brachte, die ich benötigte, dennoch betrat sie an diesem Morgen das Zelt und gab mir das, worum ich sie gebeten hatte.
Es waren mehrere Farben, die in ihrer Konsistenz fremdartig auf mich wirkten und die viel flüssiger waren als die Ölfarbe, die ich gewohnt war. Dazu einige Lagen eines dicken weißen Leinenstoffes und Pinsel in verschiedenen Stärken, die grob und borstig wirkten sowie ein Stück langer, schwarzer Kohle.
Ein wenig ratlos sortierte ich die Farben, die mir überaus grell erschienen, und breitete, nachdem Hanifah mich verlassen hatte, den Stoff auf dem Boden aus. Alles unterschied sich sehr von den Materialien, mit denen mein Vater mich das Malen gelehrt hatte. Dies war keine feine Leinwand und der vertraute Geruch der Ölfarben fehlte mir ebenfalls. Trotzdem war es alles, was ich bekommen konnte und so musste ich mich damit zufriedengeben.
Die fremden Materialien machten meine Aufgabe nicht leichter, wenn man bedachte, dass ich mich an der Magie einer Artista versuchen sollte und dabei noch den Umgang mit den mir unbekannten Werkzeugen erlernen musste. Ich wusste nicht, ob meine Visionen von Alesia nur wirren Fieberträumen entsprungen waren. Doch wenn ich es nicht versuchte, würde ich es niemals erfahren und der Gedanke, nach Andrea Luca zu sehen, erschien mir überaus verlockend.
Zaghaft tauchte ich den Pinsel in eines der irdenen Töpfchen und wagte einen vorsichtigen Strich, der sofort auf dem Stoff verlief und hässliche Spuren bildete. Loser Stoff war ohnehin eine unebene Arbeitsfläche und machte es mir nicht leichter, darauf ein ansehnliches Gemälde zu hinterlassen. Auf diese Weise würde ich eine Ewigkeit brauchen, um herauszufinden, ob ich die Begabung einer Artista besaß, wenn es überhaupt der richtige Weg war. Also änderte ich bald schon meine Annäherung an diese Arbeit und griff zu der Kohle, die mir vertrauter war.
Entnervt gab ich schon nach kurzer Zeit auf und warf wütend den Leinenstoff gegen eine der Zeltwände, an der er mit einem dumpfen Geräusch aufkam und zu Boden rutschte. Es verschaffte mir kein befriedigendes Erlebnis gegen meine Wut, rief dafür jedoch Hanifah auf den Plan, die sich die Bescherung mit einem leisen Murmeln und einem bedenklich zahnlosen Lächeln besah. Dann rief sie mir etwas zu und verschwand lachend aus dem Zelt.
Ich wunderte mich noch über ihre merkwürdige Reaktion, als sich der Schlitz in der Zeltwand schon gleich darauf wieder öffnete und die alte Frau zurückkehrte. Diesmal hielt sie bräunliches Pergament in ihrer runzligen Hand und reichte es mir unter eifrigem Nicken. Ich nahm es erleichtert entgegen und lächelte sie dankbar an, was ihr Grinsen noch weiter öffnete und mir die schwarzen Stummel offenbarte, wo sich einst ihr Gebiss befunden hatte. Schaudernd wandte ich mich ab, nachdem sie verschwunden war, und nahm mir das Pergament vor. Auf diesem Material würde ich nicht mit der flüssigen Farbe malen können.
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