Kurtisanen leben gefaehrlich
geliebtes Land und all seine Freude an sich reißen und ihm und seinen Nachfahren nichts mehr lassen, als die Erinnerung an die Schmach, die ihr zugefügt worden war.
Nun ruht sie niemals und sucht sich immer neue Opfer, deren Herzen sie vergiftet. Sie nennt ihre Opfer ihre Kinder, denen sie von ihrer Macht schenkt und die sie mit allem belohnen wird, was sie sich wünschen, wenn sie ihr helfen, ihre Ziele zu erreichen. Keine Kreatur könnte jemals verdorbener sein als die dunkle Königin der Nacht.«
Bei den letzten Worten war seine Stimme immer leiser und dunkler geworden, doch ich schenkte ihr kaum Beachtung. Die Bilder im Feuer erwachten zum Leben und tanzten vor meinen Augen, erzählten mir die Geschichte in einer fremden Art der Magie, die von dem Lied des Sängers erweckt worden war und nun alle in ihren Bann zog.
Ich sah, wie die schöne Leila den Sultan zu verführen suchte und von ihm davongejagt wurde, nachdem er seine Gebete an Sarmadee gesprochen hatte. Und ich erschauerte, als ich der großen Macht gewahr wurde, die der Königin der Nacht innewohnte.
Als das Lied endete, blieb Trauer in der Luft hängen und ließ mein Herz schwer werden. Die Geschichte hatte mich an Delilah erinnert, die mir ebenso grausam und schlangenhaft erschien wie die Frau in dem Lied des Sängers und die über eine ähnliche Macht gebot.
Schließlich wandte ich mich zu dem Mann um, der dies alles für mich übersetzt hatte, und schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Auch auf seinem Gesicht konnte ich die Gefühle erkennen, die mich ergriffen hatten. Doch hier vermischten sie sich mit echter Trauer und ich wusste nicht, was ich sagen sollte, wollte ihn in seinen Gedanken nicht stören. Dann verschwand die Trauer von seinen Zügen und machte einem warmen Lächeln Platz.
»Es ist keine schöne Geschichte, doch sie erinnert uns daran, wie nah das Böse unseren Herzen ist und wie es uns verführen möchte, wenn wir uns von dem schönen Schein der Macht blenden lassen.«
Mein Retter legte eine Hand auf sein Herz und verneigte sich tief vor mir.
»Verzeiht meine Unhöflichkeit, Signorina. Ich bin Bahir und man nennt mich den Prinzen der Wüste ...«
Er lachte heiter auf, ein Laut, der ansteckend wirkte.
»... auch wenn ich nicht von königlichem Geblüt bin.«
Ich erwiderte sein Lächeln und imitierte einen angedeuteten Hofknicks, was anhand meiner dürftigen Bekleidung – der dunklen Wolldecke aus meinem Lager – alles andere als einfach war. Bahir ignorierte meinen unschicklichen Aufzug höflich, schien ihn kaum zu bemerken.
»Ein Prinz also, der durch die Wüste zieht. Man nennt mich Lukrezia in meiner Heimat, auch wenn ich in diesem Lande schon sehr viel schmählichere Namen für meine Person zu hören bekommen habe.«
Bahir schaute mich erstaunt an.
»Man sollte keine Frau beleidigen oder sie allein in der Wüste zurücklassen. Wer hat Euch so schändlich behandelt, Lukrezia?«
Ich seufzte leise und ging zu meinem Lager zurück, als ich bemerkte, dass meine Beine mein Gewicht nicht mehr länger tragen wollten und nachzugeben drohten. Die Zeit, die das Lied des Sängers eingenommen hatte, hatte einen großen Teil meiner Kraft verbraucht und nun erfuhr ich die Rache für meine Neugier.
»Das ist eine sehr lange Geschichte und ich verstehe sie selbst noch immer nicht ganz. Aber ich möchte in meine Heimat zurückkehren, sobald es möglich ist, zumindest dies kann ich Euch mit Bestimmtheit sagen. Ihr kennt meine Heimat sicher, denn Ihr sprecht meine Muttersprache ...«
Misstrauen schlich sich plötzlich und ungebeten in mein Herz. Woher wusste dieser Mann, dass ich eine Terrano war?
»Verzeiht meine Frage, Bahir, aber woher wusstet Ihr, dass ich aus Terrano stamme?«
Bahir war von meiner Frage scheinbar nicht beeindruckt, denn seine Miene blieb unbewegt und er blickte mich weiterhin ruhig und gelassen an.
»Ihr habt im Schlaf geredet und da war es nicht schwer, Eure Herkunft zu erraten. Ihr werdet mir hoffentlich meine Unhöflichkeit verzeihen, aber ich habe Euch oft besucht, um mich nach Eurem Befinden zu erkundigen.«
Ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen stieg und mein Kopf heiß wurde. Dieser Mann hatte in seiner Ruhe etwas an sich, das dazu führte, dass ich mich unreif und linkisch fühlte. Besänftigt nickte ich und sah nachdenklich zu Boden, bevor ich meine Augen wieder auf ihn richtete.
»Wie kommt es, dass Ihr hier draußen in der Wüste lebt? Wenn Ihr meine Sprache sprecht, müsst Ihr entweder
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