Kurtisanen leben gefährlich
kalt werden. Ebenso kalt wie mein Blick, nachdem sie verstummt war.
»Das werde ich nicht. Wenn er mich nicht unglücklich macht.«
Wir starrten uns für einen langen Augenblick an. Zwei Kontrahentinnen, zwischen denen die Luft hätte zu Eiszapfen erstarren können. Dann drehte sich die Artista um und lief zur Tür hinüber, während vor meinem inneren Auge die Eiszapfen zu Boden fielen und zersprangen.
»Es wird Zeit, zu gehen. Die Kutsche wartet.«
Ich nickte stumm und folgte der Artista, die bereits den Weg aus dem Raum hinaus angetreten hatte. Also wurde es endlich Zeit, zu erfahren, wie unsere Geschichte enden sollte.
Kapitel 49
E
s dauerte nicht lange, bis wir in der Kutsche saßen. Antonia hatte mir einen weißen Umhang über die Schultern gelegt, der den Schnitt meines Kleides verbarg. Zusätzlich hatte mir die Fürstin den Schleier einer Artista aufgenötigt, der meine Züge notdürftig verdeckte. Entsprechend würde ich kaum auffallen, sofern sich niemand an einer Artista in einem besonders prachtvollen Kleid aus Beatrice Santis Gefolge stören wollte. Die wenigsten würden darunter eine Braut vermuten.
Beatrice Santi hatte scheinbar ihre beste Kutsche bringen lassen. Prachtvolle, schwarz glänzende Pferde von edlem Geblüt zogen das ebenso schwarze Gefährt mit den leuchtend weißen Insignien der Santi, das so weich dahinglitt wie die Promessa auf den Wellen der Weltmeere.
Ich fühlte mich unbehaglich im Inneren der Kutsche mit den dichten Vorhängen, die das Licht des anbrechenden Mittags ausschlossen. In dem unheilschwangeren Dämmerlicht zählte ich die Sekunden, die ich mit der Artista darin verbringen musste. Ihre Kälte war seit unserem letzten Zusammenstoß schwer zu ertragen und keine von uns sprach ein Wort. Ich hatte genügend Ruhe, um mir in allen Farben auszumalen, was mich in Santa Filomena erwartete. Es waren keine angenehmen Bilder, die sich in meinen Gedanken abspielten.
Mittlerweile plagte mich eine derart starke Übelkeit, dass ich kaum noch die Herrin meiner eigenen Sinne war. Ich musste alle verbliebenen Kraftreserven einsetzen, um in der Lage zu sein, die Kutsche an unserem Ziel eigenständig zu verlassen.
Santa Filomena, die prachtvollste Kathedrale Porto di Fortunas, lag hoch auf den Klippen über der Stadt. Die Sonne strahlte warm auf mein Gesicht, als ein Diener in einer prunkvoll anzusehenden Livree die Tür der Kutsche öffnete. Vorsichtig setzte ich meine Füße in den feinen Schuhen auf den Mosaikboden und versuchte dabei, meine Nervosität so gut wie möglich zu unterdrücken. Es fiel mir unglaublich schwer, den Eindruck einer selbstsicheren Artista aus dem Hause Santi zu erwecken. Aber ich musste es versuchen, wenn ich mich nicht verraten wollte.
Neugierige Blicke folgten mir. Sie musterten den weiten Rock, der im Sonnenlicht zu glitzern begonnen hatte, als bestünde er aus Schnee und Diamanten. Ich lächelte, trotz meiner schlechten Verfassung. Die Szenerie erinnerte mich an frühere Gelegenheiten, bei denen ich in Erscheinung getreten war und die Blicke auf ähnliche Weise auf mich gezogen hatte. Zumindest in dieser Beziehung war mir das Geschehen vertraut und ich richtete mich gewohnheitsmäßig auf, um ihnen eine bessere Sicht zu gewähren.
Die Augen der Anwesenden sprachen deutlicher als es Worte jemals vermocht hätten. Wer ist diese Fremde? Was tut sie hier? Und ich sonnte mich in der Aufmerksamkeit und der Bewunderung, die meine Erscheinung hervorrief.
Der Platz vor Santa Filomena glich einem Meer aus Juwelen und edlen Stoffen. All die Adeligen, die zum Anlass des neuesten Geniestreiches des Pascale Santorini geladen worden waren, entstiegen dort ihren prachtvollen Kutschen. Vielfältige Farben leuchteten in der Sonne auf, als die Gäste in die Kirche strömten. Sie konnten es kaum erwarten, das Spektakel beginnen zu sehen. Doch als sich Beatrice Santi näherte, machte auch der arroganteste Adelige Platz. Wo auch immer die Artista ging, wurde sie von staunend aufgerissenen Augen verfolgt. Sie teilte das Meer der Besucher mühelos mit ihrer schieren Präsenz.
Offensichtlich hatte niemand mit ihrem Erscheinen gerechnet. Das aufgeregte Tuscheln entlang unseres Weges war deutlich zu vernehmen. Wir schritten Seite an Seite zu den geprägten, goldenen Portalen der Kathedrale und näherten uns der Treppe, die ins Innere führte.
Aus unermesslicher Höhe blickten Edeas Engel mit ihren wunderschönen Gesichtern auf uns herab. Die heilige Filomena ruhte
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