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Kurz bevor dem Morgen graut

Kurz bevor dem Morgen graut

Titel: Kurz bevor dem Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kimmelmann
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Südstaaten-Akzent, das hatte er gleich bemerkt. Wahrscheinlich North Carolina oder Tennessee, Tom hatte schon viele Frauen aus dieser Gegend kennen gelernt. Nein, es musste etwas anderes gewesen sein. Als sie gezwinkert hatte ... da war irgendetwas in ihren Augen gewesen, das Tom bekannt vorgekommen war.
    „Tom Bogenhart“, sagte er und reichte ihr förmlich die Hand.
    Sie ergriff sie und lächelte. „Maura“, sagte sie.
    „Kein Nachname?“, fragte Tom misstrauisch.
    „Ist schlecht für’s Geschäft“, sagte sie grinsend.
    Also doch eine Nutte. Tom seufzte. Er hatte gehofft, heute noch zum Schuss zu kommen, ohne etwas von seinem sauer erspielten Geld ausgeben zu müssen.
    Konnte sie am Ende doch ein Cop sein? Er sah ihr in die Augen. Jetzt wusste er auch, was ihm so vertraut vorgekommen war. Dieser Rotstich in ihren ansonsten blauen Augen, den hatte er schon einmal gesehen. Es war nahezu derselbe wie der von der Kleinen damals, mit der er die wahrscheinlich wildeste Nacht seines Lebens verbracht hatte. Aber wahrscheinlich war das eine typische Erscheinung bei Vegas-Nutten. Kam vermutlich vom Alkohol oder von Drogen. Also doch eine Nutte. Wenn nicht ... nun, dann würde er das Risiko eingehen.
    „Wie viel?“, fragte er.
    „Sechshundert die Nacht“, meinte sie, ohne eine Miene zu verziehen.
    „Sechshundert?“, knurrte er missmutig. „Ich dachte, ich bin in Nevada und nicht in Monaco.“ Sie wusste wahrscheinlich nicht mal, wo Monaco lag.
    „Kein Verhandeln, keine Kompromisse“, sagte sie. „Nur Cash.“
    Tom hatte um die viertausend Dollar gewonnen, aber sechshundert für eine Nacht schien seiner Geldbörse doch einen schmerzhaften Verlust zuzufügen. Allerdings ... irgendetwas hatte diese Kleine, das er um nichts auf der Welt verpassen wollte.
    „Also gut“, seufzte er.
    „Jetzt gleich?“, fragte sie.
    „Aber sicher. Wozu warten?“
    „Hast du ein Zimmer hier im Haus?“
    „Na klar. Ich hasse lange Wege.“

    Zehn Minuten später betrat er mit Maura sein Hotelzimmer.
    „Wow, du hast einen tollen Balkon“, war ihr erster Versuch, Konversation zu machen. Selbigem ließ sie ein elegantes Hinaustreten auf nämlichen Balkon folgen.
    Tom gesellte sich zu ihr, woraufhin sie gemeinsam, vom Geländer im vierundzwanzigsten Stock aus, die Lichter der Stadt betrachteten.
    „Wahnsinnsausblick, was?“, ging er auf ihr Smalltalk-Angebot ein.
    „Das kannst du laut sagen“, sagte sie schwärmerisch, bevor ihr Geschäftsinstinkt wieder die Oberhand gewann. „Legen wir gleich los?“, fragte sie.
    „Lass uns reingehen“, meinte er. „Wir lassen die Balkontür offen, es ist irre heiß.“
    „Da wäre nur noch eine Kleinigkeit zu klären“, ergänzte sie und rieb sich die Finger der rechten Hand.
    Tom nickte und warf abgezählt sechshundert Dollar auf den Nachttisch.
    „Dann“, meinte sie, „kannst du jetzt mit mir machen, was du willst.“
    Genau das tat Tom. Im Laufe der folgenden Stunde korrigierte er seine Ansicht, die Nacht mit der Nutte vor zwanzig Jahren sei die wildeste seines Lebens gewesen. Es war die jetzt mit Maura, mit Abstand. Mit der Kleinen damals war es auch brutal losgegangen, aber sie hatte nicht so richtig gewollt. Sie war irgendwann schreiend und um sich schlagend ausgerastet, aber Tom hatte sich nicht davon abbringen lassen, seine Mission zu vollenden. Mit Maura war es anders. Je heftiger er agierte, desto wilder wurde sie selbst. Sie war eindeutig hartgesottener als seine letzte Vegas-Nutte.
    Als er die erste Runde mit ihr beendet hatte, lag er keuchend und schwitzend auf dem Rücken.
    „Darf ich mir eine anstecken?“, fragte Maura, die nicht im Mindesten außer Atem zu sein schien.
    Klar dachte Tom, eine Profi-Sprinterin ist auch nicht erschöpft, wenn sie gerade einen Lauf gegen dich gewonnen hat.
    „Von mir aus“, sagte er schwer atmend und erhob sich. „Ich muss mal kurz ins Bad.“
    Er schleppte sich unter leichten Rückenschmerzen und mit stark klopfendem Herzen zur Badezimmertür. Vielleicht war er langsam wirklich zu alt für dieses Leben.
    Er spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht. Dann blieb er noch ein paar Minuten auf dem Klo sitzen, nur um wieder zu Atem zu kommen und darauf zu warten, bis das Hämmern in seiner Brust und in seinem Kopf nachließ.

    Als er wieder zurück ins Schlafzimmer kam, merkte er gleich, dass irgendetwas nicht stimmte. Maura lag rücklings auf dem Bett und starrte an die Decke. Ihre Augen schienen kalt und leer zu sein.
    „Oh

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