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Kurz bevor dem Morgen graut

Kurz bevor dem Morgen graut

Titel: Kurz bevor dem Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kimmelmann
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strampelte, als man sie von dem Kind wegzerrte. Sie rief noch mehrmals Jörgs und Renés Namen, aber niemand antwortete ihr.

WAR DA WAS?
    Sven schnaufte tief durch. Er wurde fast etwas wehmütig, als er den Wald seiner Kindheit im Glanz des Abendrots betrachtete. Mit einem Blick hinter sich sah er, dass Tanja und Bernd seine Begeisterung nicht teilten. Sie blickten nahezu beunruhigt auf die Bäume, die sich unter ihnen am Ufer der Isar entlang zogen.
    „Und da müssen wir wirklich durch?“, fragte Tanja mit einem besorgten Unterton in ihrer Stimme. Sie strich sich das lange blonde Haar aus der Stirn und sah Sven prüfend an.
    „Leute, das ist wunderschön in diesem Wald“, sagte Sven, ohne die Begeisterung in seiner Stimme zu unterdrücken.
    „Er sieht ein wenig unheimlich aus“, meinte Tanja. „Ich bin nicht so der Waldtyp. Und ich glaube, mein Bruderherz auch nicht.“
    Mit diesen Worten blickte sie zu Bernd, der neben ihr stand.
    „Da hast du recht, Schwesterchen“, brummte Bernd. „Ehrlich gesagt würde ich lieber einfach außen herumgehen. Wir sind doch in einer halben Stunde bei deinen Eltern in Wolfratshausen, wenn wir der Bundesstraße folgen, Sven.“
    „Hey“, sagte Sven verwundert. „Bei meinen Eltern kommen wir früh genug an. Wir brauchen keine Stunde auf dem Waldweg. Ich dachte, ihr wolltet ein bisschen was von meiner alten Heimat sehen. Schließlich habt ihr mich in Berlin auch überall rumgeschleppt, seit ich zu Tanja gezogen bin.“
    „Ja, aber Berlin ist eine Großstadt“, bemerkte Tanja. „Das ist ein Wald. Da kann man sich verlaufen.“
    „Kommt schon“, meinte Sven. „Wir sind nur noch einen Tag hier, bevor wir zurückfahren. Seht euch doch diesen herrlichen Herbstabend an. Der Wald duftet, wir sehen vielleicht ein paar Tiere.“
    „Aber es wird doch bald dunkel“, führte Bernd an.
    „Wir haben noch mindestens zwei Stunden Licht“, korrigierte Sven. „Durch den Wald brauchen wir nicht einmal ganz eine Stunde.“
    „Und wenn wir uns verlaufen?“, meinte Tanja.
    „I wo. Den Wald kenne ich seit frühester Kindheit wie meine Westentasche. Selbst wenn die Dunkelheit uns überraschen sollte, weiß ich immer einen Pfad, der uns schnell auf die nächste beleuchtete Straße führt. Die erste Viertelstunde gehen wir sowieso immer am Isarufer entlang.“
    Bernd blickte zweifelnd zu seiner Schwester. Sven ging zu ihr und küsste sie auf den Mund.
    „Ich will doch meiner Süßen zeigen, wo ich herkomme“, sagte er, dann, mit Blick zu Bernd: „Und meinem zukünftigen Schwager natürlich auch.“
    „Gibt es hier Wölfe?“, fragte Tanja.
    „Keine Wölfe“, beruhigte sie Sven.
    „Na, dann los“, grummelte Bernd. „Wenn es dich so freut.“
    Sie machten sich daran, die Anhöhe hinunter zu steigen.
    „Letzte Chance zum Aussteigen, Tanja“, witzelte Bernd, als sie die ersten Bäume rechts und links von sich passierten.
    „Solange es keine Wölfe gibt“, meinte Tanja, aber sie klang nicht überzeugt.
    Sven marschierte als Führer voran, Tanja folgte ihm. Bernd machte das Schlusslicht. Es war Tanja ganz angenehm, ihren Bruder hinter sich zu wissen. Sie war ein Stadtkind und hasste Wälder. Warum hatte sie sich nur dazu überreden lassen?
    „Was sind das eigentlich für Bäume?“, fragte Tanja.
    „Einige sind Föhren“, meinte Sven. „Sind glaub ich auch ein paar Fichten dabei. Und einige Laubbäume. Frag mich nicht, welche. Ganz sicher bin ich mir nicht.“
    „Na hör mal, ich dachte, du bist als Kind in diesem Wald herumgestreift?“
    „Ja, aber um zu spielen, nicht um Bäume zu untersuchen.“
    Sven genoss den Geruch der Bäume. Sie postierten sich majestätisch neben, hinter und vor ihnen mit ihren teilweise grünen, teilweise schon braunen Nadeln oder mit ihrem grünen, hellbraunen und gelben Herbstlaub. Teilweise sahen sie Pilze am Fuße der Bäume. Die Bäume rechts von ihnen waren eher spärlich, dafür sahen sie dort die Isar groß und mächtig in Richtung München fließen. In die gleiche Richtung, in der sie auch unterwegs waren.
    Nach etwa zehn Minuten meldete Bernd sich von hinten zu Wort.
    „Sven, täusch ich mich, oder bekommt der Pfad einen leichten Linksdrall?“
    „Richtig“, bestätigte Sven von vorne.
    „Das heißt, wir kommen vom Isarufer ab?“
    „Ja, aber nicht lange. Der Pfad läuft bald wieder nach rechts, dann kommen wir zu einer Uferbank. Von dort aus können wir dann den Weg nehmen, der zu meinen Eltern führt.“
    „Das gefällt mir

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