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Kurz bevor dem Morgen graut

Kurz bevor dem Morgen graut

Titel: Kurz bevor dem Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kimmelmann
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gar nicht“, jammerte Tanja. „Ich fand es sehr beruhigend, den Fluss neben mir zu wissen. Jetzt kommen wir nur noch tiefer in den Wald.“
    „Sei doch nicht so ein Angsthase“, sagte Sven lachend. „In diesem Wald ist noch nie jemand verschwunden.“
    „Bis heute“, scherzte Bernd.
    „Das ist nicht lustig!“, fuhr Tanja ihren Bruder scharf an.
    Plötzlich schreckte sie auf.
    „Sven“, hauchte sie mit zitternder Stimme. „War da was?“
    Sven drehte sich belustigt um.
    „Was soll da gewesen sein?“, fragte er.
    „Ich hab das Gefühl, links von uns in den Bäumen war irgendwas“, meinte Tanja und blickte sich furchtsam um. „Es hörte sich an, als ob uns irgendetwas verfolgt.“
    „Gut möglich“, sagte Sven grinsend. „Es gibt Schlangen im Unterholz. Aber keine Angst, die kommen selten auf den Weg. Und wenn, sehen wir sie rechtzeitig.“
    „Das war keine Schlange“, beharrte Tanja. „Das war schneller.“
    „Na, dann war es eben ein Eichhörnchen. Oder ein Vogel. Vielleicht sogar ein Frosch.“
    „Bist du sicher?“
    „Was soll es denn sonst gewesen sein? Komm schon, lass uns weiter gehen.“
    Der Weg führte nun etwas tiefer in den Wald hinein, was Tanja nicht gerade erfreute. Zudem bemerkte sie mit wachsender Sorge, dass das Licht schwächer wurde.
    „Bist du sicher, dass wir noch genug Zeit haben, bevor die Dunkelheit kommt?“, fragte sie.
    „Logisch. Das Licht ist hier nur so trüb, weil die Bäume dichter stehen. An der Uferbank ist es wieder hell. Danach kommen wir dann auf den Pfad zu meinen Eltern, der ist richtig breit, da kommt das Licht gut hin.“
    „Also gut“, meinte Tanja zögernd und folgte ihm weiter.
    Auch Bernd trottete geduldig hinterher.
    Es dauerte etwa fünf Minuten, bis Tanja wieder zusammenschreckte.
    „Da war es wieder“, kreischte sie hysterisch.
    „Was denn?“, fragte Sven, nun leicht genervt.
    „Da ist etwas in den Bäumen“, versteifte sie sich. „Etwas verfolgt uns. Und zwar etwas, das wesentlich schneller ist als eine Schlange.“
    Sven verdrehte die Augen.
    „Ich will ja nicht unken“, meinte Bernd. „Aber jetzt höre ich es auch.“
    Alle drei spitzten gespannt die Ohren. Tatsächlich hörten sie ein Rascheln in den Büschen, als ob sich etwas schnell vorwärts bewegte. Es kam in ihre Richtung.
    „Das ist nur irgendein Tier“, sagte Sven und drehte sich wieder in Marschrichtung. „Seid doch nicht so ...“
    Er machte erschrocken einen Schritt zurück, als er links von sich etwas aus dem Gebüsch schießen sah. Beim Zurückweichen prallte er unsanft gegen Tanja.
    „Was? Was ist?“, schrie sie.
    Sven atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Dann lachte er.
    „Da seht ihr unser Monster“, meinte er.
    Jetzt mussten auch Tanja und Bernd lachen. Eine kleine Feldmaus war auf den Weg gehopst und sah neugierig an Sven hoch.
    „Na, Kleiner?“, begrüßte Sven die Maus. „Willst du uns fres...“
    Weiter kam er nicht. Im Bruchteil einer Sekunde schoss rechts von der Maus etwas Schwarzes aus dem Gebüsch und stürzte sich auf Svens neuen Freund.
    „Was ist das?“, brüllte Tanja in höchster Erregung los.
    „Nur eine Schlange!“, schrie Sven hastig, selbst zu Tode erschrocken.
    Die Schlange war der Maus an die Kehle geschnellt und hatte sie durchgebissen. Jetzt machte sie sich daran, die Maus ins Gebüsch zu transportieren.
    „Was ist denn das für eine Schlange?“, fragte Bernd, der sich als Erster wieder beruhigt hatte.
    „Eine Kornnatter, glaube ich“, antwortete Sven. „Aber ich weiß es nicht genau.“
    „Sie hat die Maus einfach getötet!“ Tanja konnte sich gar nicht mehr fangen.
    „Das ist der Lauf der Natur“, meinte ihr Bruder.
    „Fressen Kornnattern überhaupt Mäuse?“, fragte Sven.
    „Woher soll ich das wissen?“ Bernd zuckte mit den Schultern. „Du bist doch der Waldexperte, Sven.“
    Sie warteten ab, bis die schwarze Schlange mit der toten Feldmaus im Unterholz verschwunden war. Dann gingen sie schweigend weiter.
    Eine Weile herrschte betretene Stille. Niemand wagte etwas zu sagen. Dann ergriff Sven wieder das Wort:
    „Seht ihr? Da drüben geht der Pfad wieder nach rechts. Ich kann schon das Ufer sehen.“
    Erleichtert bemerkten Tanja und Bernd, dass er recht hatte. Die Isar war in greifbarer Nähe und auch das Licht erschien ihnen wieder heller, gleichwohl es merklich zu dämmern begann.
    „Nur noch fünf Minuten diesen Trampelpfad den Fluss entlang, dann kommen wir zu der Uferbank, wo der Weg sich

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