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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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gieße ihm Tee nach. »Wir rufen Laura Carter an und sagen ihr, dass du bereit bist, die Sache
     mit einer Zahlung von zwanzigtausend Pfund beizulegen, vorausgesetzt, Valentina unterzieht sich einem Vaterschaftstest – selbstverständlich
     auf unsere Kosten – und dieser ergibt, dass du der Vater des Kindes bist.«
    »Ein absolut faires Angebot«, befindet die Scheidungsexpertin.
    »Wirklich absolut fair, Nikolai«, sagt Mike, der aufgewacht ist und jetzt in der Tür steht und mit beiden Händen seine Schläfen
     massiert. »Habt ihr einen Tee für mich? Ich bin noch nicht ganz da.«
    Vater schaut Mike an, der ihm aufmunternd zublinzelt.
    »Hmm. Na gut«, sagt er und zuckt ergeben die Schultern.
    »Ein absolut faires Angebot«, sagt auch Ms. Carter am Telefon. »Aber   … sind Sie auch wirklich sicher   …?«
    Ich schaue Vater an, wie er dasitzt und sich mit gerunzelter Stirn auf seine Teetasse konzentriert, sehe unter dem angenähten
     Stoffstreifen an seinem Nachthemd seine arthritisch geschwollenen Knie herausschauen, seine mageren Schenkel und darüber –
     ich denke lieber nicht weiter.
    »Ja«, sage ich, »ganz sicher.«
     
    Stanislav hat Dubov zu Valentina gebracht. Jedenfalls sind sie irgendwann im Laufe des Vormittags mit dem Rolls-Royce weggefahren.
    Es ist schon Mittag vorbei, als Dubov allein zurückkommt. Er wirkt etwas melancholisch.
    »Können Sie uns jetzt sagen, wo sie wohnt?«, frage ich ihn auf Ukrainisch.
    |308| Er hält die Hände hoch, Handflächen nach außen. »Tut mir leid, ich darf nicht. Ich hab’s versprochen.«
    »Aber – wir müssen es doch wissen. Papa muss es wissen.«
    »Sie hat solche Angst vor euch, vor Ihnen, Nadia, und vor Ihnen, Vera.«
    »Angst vor uns?« Ich muss lachen. »Sind wir denn so schrecklich?«
    Dubov lächelt diplomatisch. »Sie hat Angst davor, dass sie wieder in die Ukraine zurückgeschickt wird.«
    »Aber ist denn die Ukraine so schrecklich?«
    Dubov überlegt. Seine dunklen Augenbrauen ziehen sich zusammen.
    »Zurzeit ja. Es ist schrecklich dort. Zurzeit haben Gangster und Kriminelle unser geliebtes Vaterland im Griff.«
    »Genau«, mischt Vater sich ein, der bis eben ruhig in der Ecke gesessen und seine Äpfel geschält hat, »genau das sagt Valenka
     auch. Aber, Wolodja Simeonowitsch, sagen Sie mir doch bitte, wie es so weit kommen konnte bei einem so intelligenten Volk?«
    »Das kommt daher, weil wir jetzt dem Wildwest-Kapitalismus ausgesetzt sind, Nikolai Alexejewitsch«, sagt Dubov in seiner ruhigen,
     klugen Art. »Die Ratgeber, die aus dem Westen kamen, um uns zu zeigen, wie wir unsere Wirtschaft nach kapitalistischen Prinzipien
     aufbauen können, haben uns das raubgierige Modell des frühen amerikanischen Kapitalismus beigebracht.«
    Der Begriff
»amerikanski kapitalism«
hat Mike aufhorchen lassen. Jetzt möchte er auch mitreden.
    »Ganz richtig, Dubov. Das ist dieser neoliberale Mist. Die Ganoven reißen allen Reichtum an sich und legen ihn in scheinbar
     legitimen Unternehmen fest. Wenn wir Glück haben, dringt danach ein bisschen davon auch bis zu uns anderen durch. Rockefeller,
     Carnegie, Morgan haben alle |309| als Banditen begonnen. Jetzt stehen sie als strahlende Helden auf millionenschweren Grundfesten.« (Für Mike gibt es nichts
     Schöneres als sich über Politik zu ereifern.) »Kannst du das bitte übersetzen, Nadia?«
    »Ich weiß nicht – ich werde mein Bestes versuchen.«
    Ich versuche mein Bestes.
    »Und es gibt Leute, die behaupten, dass dieses Gangsterstadium für die Entwicklung des Kapitalismus notwendig sei«, fügt Dubov
     hinzu.
    »Das ist ja faszinierend«, ruft Vera aus. »Wollen Sie damit sagen, die Ganoven sind absichtlich dort hingebracht worden?«
    Entweder ist ihr Ukrainisch ziemlich eingerostet, oder meine Übersetzung ist schlechter, als ich dachte.
    »Nicht ganz«, erklärt Dubov geduldig. »Aber diese Gangstertypen, die schon dort sind, deren Raubtierinstinkte vom Gefüge einer
     bürgerlichen Gesellschaft in Schach gehalten werden, vermehren sich wie Unkraut in einem frisch gepflügten Feld, sobald dieses
     Gefüge irgendwo Löcher bekommt.«
    Seine Art zu sprechen hat etwas irritierend Pedantisches, ähnlich wie bei unserem Vater. Normalerweise würde mich das die
     Wände hochtreiben, aber ich finde ihn in seiner Ernsthaftigkeit gewinnend.
    »Sehen Sie denn einen Ausweg?«, fragt Mike. Ich übersetze.
    »Kurzfristig nicht. Aber langfristig gesehen, glaube ich schon. Ich persönlich würde das

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