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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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muss.« Er gießt Milch
     über seine Shredded-Wheat-Flakes und häuft einen Berg Zucker darauf. »Lass mich in Ruhe. Fahr zurück nach London, bitte.«
    Seine Hände zittern. Trotzdem versucht er sich den Mund vollzustopfen, bis er husten muss und Getreideflocken wie kleine Geschosse
     über den ganzen Tisch spuckt.
    »Versuch bitte, dich einmal in deinem Leben wie ein erwachsener Mann zu verhalten. Was ist denn mit deinem Verstand passiert?
     Du bist nicht der Kindsvater, du bist selber ein Kind. So wie du dich benimmst – du bist völlig infantil geworden!«
    »Infantile Störung – haha.« Er wirft seinen Löffel auf den Tisch. »Du wirst von Tag zu Tag mehr wie Lenin.«
    »Ein Vaterschaftstest ist wirklich keine schlechte Idee«, sage ich. »Weil du dann nicht nur weißt, ob du tatsächlich der Vater
     bist oder nicht, sondern auch, ob es ein Junge wird oder ein Mädchen.«
    |305| »Ah.« Er hört abrupt auf zu husten. »Gute Idee. Junge oder Mädchen. Gute Idee.«
    Vera wirft mir einen anerkennenden Blick zu.
    Stanislav und Dubov sind draußen im Vorgarten damit beschäftigt, sich unter der geöffneten Motorhaube kumpelhaft über das
     Innenleben des Rolls-Royce auszutauschen. Mike schläft noch immer im vorderen Zimmer, ist allerdings vom Sofa auf den Boden
     gefallen. Vera, Vater und ich sitzen im hinteren Zimmer, das jetzt als Esszimmer und als Vaters Schlafzimmer dient, beim Frühstück.
     Durch die schmutzigen Fenster fallen schräge Sonnenstrahlen. Vater trägt noch sein Nachthemd, ein seltsames, selbst zusammengeschneidertes
     Stück, bestehend aus einem alten karierten Holzfällerhemd, an das er unten zur Verlängerung mit schwarzem Zwirn in großen
     Stichen einen breiten Stoffstreifen mit Paisleymuster angenäht hat, der vorn mit braunen Schuhbändern zusammengehalten wird.
     Die Knöpfe am Hals stehen offen, so dass wir, wenn er spricht, seine alte Narbe unter den silbrigen Brusthaaren auf und ab
     hüpfen sehen.
    »Aber   …« Argwöhnisch wandert sein Blick zwischen Vera und mir hin und her. »Ein Vaterschaftstest kann erst nach der Geburt des Kindes
     gemacht werden. Und dann weiß man doch schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.«
    »Nein, nein, man kann auch schon vor der Geburt einen Vaterschaftstest machen lassen«, beruhigt Vera ihn. »In utero.« Sie
     fängt meinen Blick auf. »Nadia und ich bezahlen das.«
    »Hmm.« Er sieht immer noch misstrauisch aus, als überlege er, ob wir vielleicht versuchen, ihn hereinzulegen. (Als wenn wir
     das je tun würden!)
    Im selben Moment plumpst draußen die Post in den Briefkasten. Neben einem Stoß von Reklame und Werbeangeboten für Kreditkarten,
     Gesundheits- und Schönheitsprodukte |306| und aufregenden Ankündigungen von Supergewinnen, die nur darauf warten, abgerufen zu werden – alles an Valentina adressiert
     (Papa: »Was hat sie doch für ein Glück, dass sie immer solche Preise gewinnt!«)   –, findet sich auch ein Brief an Vater von Ms. Carter. Darin erinnert sie ihn zum einen an den in zwei Wochen stattfindenden
     Verhandlungstermin für die Scheidung, zum anderen übermittelt sie ihm ein Angebot von Valentinas Anwalt: Bei einer einmaligen
     Abfindungszahlung von zwanzigtausend Pfund, schreibt er, sei seine Klientin bereit, in die Scheidung einzuwilligen und auf
     sämtliche weiteren Ansprüche auf Vaters Vermögen zu verzichten.
    »Zwanzigtausend Pfund!«, japst Vera. »Das ist ungeheuerlich!«
    »Du hast sowieso keine zwanzigtausend Pfund, Papa«, sage ich.
    »Hmm«, macht Papa. »Vielleicht, wenn ich das Haus verkaufe und in ein Altenheim gehe   …?«
    »Kommt nicht in Frage!«, sagen Vera und ich wie aus einem Mund.
    »Oder vielleicht könntet ja ihr zwei, Nadia, Vera, einem dummen alten Mann aus der Patsche helfen.«
    »Nein! Nein!«
    Die Forderung scheint ihn ernsthaft zu beunruhigen.
    »Gesetzt den Fall, die Sache geht vor Gericht«, überlege ich laut, »wie sähe die Entscheidung dann wohl aus?«
    »Na ja, die Richter könnten ihr fünfzig Prozent seines Eigentums zuerkennen«, erklärt Vera, die Scheidungsexpertin. »Falls
     er der Vater des Kindes wäre. Wenn er das nicht ist, denke ich, hat sie nur sehr geringe oder gar keine Ansprüche.«
    »Verstehst du nicht, Papa? Sie will
jetzt
eine Abfindung, weil sie genau weiß, dass es nicht dein Kind ist und das Gericht ihr nichts zusprechen würde.«
    |307| »Hmm.«
    »Das ist ein übler Trick und sonst nichts«, sagt Vera.
    »Hmm.«
    »Ich habe eine Idee, Papa.« Ich

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