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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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in Vaters
     Schlafzimmer herumquält. Oh ja, sie ist raffgierig und rücksichtslos und grässlich – aber trotzdem ist sie auch ein Opfer.
    »Bin gespannt, wie das alles ausgeht.«
    »Mhm.«
    Ich hatte Glück. Ich bin zum richtigen Zeitpunkt zur Welt gekommen.
     
    Ich weiß nicht, was genau Dubov in den nächsten vierzehn Tagen unternahm, um seine Werbung um Valentina voranzutreiben, doch
     Vater erzählte mir, dass er sich jeden Tag mit dem Rolls-Royce auf den Weg machte, an manchen Tagen vormittags, an anderen
     abends. Wenn er zurückkam, war er stets gleichbleibend nett und freundlich, auch wenn er ab und zu etwas bedrückt wirkte.
    Und wenn Vater ins Schwanken kam, ob er sich wirklich scheiden lassen wollte – was anfangs beinahe täglich geschah   –, bestärkte Dubov ihn immer wieder von Neuem.
    »Nikolai Alexejewitsch«, pflegte er zu sagen, »Vera und Nadia hatten das Glück, Ihre väterliche Zuneigung und Ihr Wissen genießen
     zu können, als sie heranwuchsen. Auch Stanislav braucht seinen Vater. Und was das Baby angeht, wissen Sie, ein kleines Kind
     muss einen jungen Vater haben. Seien Sie doch zufrieden mit den Kindern, die Sie schon haben.«
    |313| »Sie sind aber selbst auch nicht mehr der Jüngste, Wolodja Simeonowitsch«, gab Vater dann zurück. Doch Dubov war nicht aus
     der Ruhe zu bringen.
    »Das stimmt schon. Aber ich bin immer noch viel jünger als Sie.«
     
    Die briefliche Antwort von Valentinas Anwalt an Ms. Carter lautete, dass seine Mandantin es kategorisch ablehne, sich einem
     Vaterschaftstest zu unterziehen, allerdings bereit sei, eine sehr viel niedrigere Abfindungssumme von fünftausend Pfund zu
     akzeptieren.
    »Was soll ich dazu sagen?«, will Vater wissen.
    »Was sollen wir dazu sagen?«, frage ich Vera.
    »Was meinen Sie?«, fragt Vera Ms. Carter.
    »Bieten Sie ihr zweitausend an«, schlägt Ms. Carter vor. »Viel mehr würde ihr das Gericht vermutlich auch nicht zuerkennen.
     Zumal es ja Hinweise auf Ehebruch gibt.«
    »Genau«, sagt Vera.
    »Ich werde es Vater beibringen«, verspreche ich.
    »Gut dann, wenn ihr unbedingt wollt«, lenkt Vater am Telefon ein. »Ich sehe schon, dass ihr alle gegen mich seid.«
    »Du spinnst«, schnauze ich ihn an. »Das Einzige, was gegen dich ist, ist deine eigene Dummheit. Sei froh, dass wir da sind
     und dich vor dir selbst beschützen.«
    »Gut, gut. Ich bin ja mit allem einverstanden.«
    »Und wenn wir bei Gericht sind, komm bloß nicht wieder mit solchem Quatsch wie ›Ich bin der Kindsvater‹– hörst du?«
    »Ja, Nadia«, brummt er. »Du wirst schon so ein Monster wie deine Schwester.«
    »Ach, sei doch ruhig, Papa.« Damit knalle ich den Hörer auf die Gabel.
    Es ist nur noch eine Woche bis zur Verhandlung, und wir sind alle ein bisschen nervös.

|314| 28.
Eine Pilotenbrille mit Goldrand
    Am Tag vor der Verhandlung ist immer noch keine Antwort von Valentinas Anwalt auf das Zweitausend-Pfund-Angebot eingetroffen.
    »Wir müssen es wohl einfach dabei belassen und abwarten, was das Gericht ihr zuspricht.«
    Liegt da in Ms. Carters wohltönender Stimme tatsächlich ein nervöses Zittern oder sind meine eigenen Nerven schon so angespannt,
     dass ich alles Mögliche hineinhöre?
    »Und was glauben Sie, worauf es hinausläuft?«
    »Ich weiß es nicht. Im Prinzip ist alles möglich.«
     
    Es ist ein ungewöhnlich milder Novembertag. In der durchsichtig klaren Luft, dem harten Winterlicht wirkt das Gerichtsgebäude
     – ein moderner niedriger Bau mit großen Fenstern – scharf umrissen und zugleich surreal, wie in einem Film. Im Inneren dämpfen
     dicke blaue Läufer die Schritte und Stimmen. Ein wenig zu warm ist es hier, und es riecht nach Bohnerwachs. Überall stehen
     verschwenderisch grüne Pflanzen in großen Kübeln, so grün, dass auch sie nicht ganz echt aussehen.
    Vera, Papa, Ms. Carter und ich sitzen im Wartebereich vor dem Saal, in dem unser Fall verhandelt werden soll. Vera trägt ein
     Gedicht von einem Jackenkleid – feiner blassrosa Wollcrêpe mit Schildpattknöpfen. Ich trage denselben |315| Blazer und dieselbe Hose wie bei der ersten Anhörung, Ms. Carter ein schwarzes Kostüm mit weißer Bluse und Vater seinen Hochzeitsanzug
     mit dem weißen Hemd, dessen zweitoberster Knopf mit schwarzem Faden angenäht ist. Der erste Knopf fehlt. Den Kragen hält eine
     merkwürdige senffarbene Krawatte zusammen.
    Wir sind alle entsetzlich nervös.
    Jetzt erscheint ein junger Mann mit Perücke und Robe. Er wird Vater vor Gericht

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