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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Vater! Es ist eine Folge ihres
     Ehebruchs!« Ihre Augen blitzen.
    »Bitte nehmen Sie wieder Platz, Miss   … äh, Mrs.   …«, sagt der Richter. Einen Moment lang bleibt sein Blick an ihr hängen, als sich ihre Augen begegnen. Ist es die Aufregung
     oder wird Vera tatsächlich rot? Dann setzt sie sich ohne ein weiteres Wort. Ms. Carter kritzelt hektisch etwas auf ein Blatt
     Papier und reicht es dem Anwalt, der sogleich nach vorn ans Richterpult tritt.
    »Es gab ein Angebot über zwanzigtausend Pfund«, sagt er, »wenn aufgrund eines Vaterschaftstests nachgewiesen |318| wird, dass das Kind wirklich von Mr.   Majevski ist. Doch dieses Angebot wurde abgelehnt und an seiner statt eine niedrigere Summe vorgeschlagen, die nicht von einem
     Vaterschaftstest abhängig gemacht werden sollte. Diesen Vorschlag hat Mr.   Majevski abgelehnt.«
    »Danke«, sagt der Richter. Er notiert sich etwas. »Also«, wendet er sich dann an Stanislav, »du hast zwar erklärt, warum deine
     Mutter nicht hier ist, aber nicht, warum sie nicht von jemandem vertreten wird. Hat sie denn keinen Anwalt?«
    Stanislav zögert einen Moment und murmelt dann etwas vor sich hin. Der Richter fordert ihn auf, lauter zu sprechen. »Es gab
     Meinungsverschiedenheiten mit dem Anwalt«, sagt Stanislav schließlich.
    Von links neben mir ertönt lautes Husten. Ms. Carter versteckt ihr Gesicht hinter einem Taschentuch.
    »Sprich weiter, bitte«, sagt der Richter. »Worüber ist es denn zu diesen Meinungsverschiedenheiten gekommen?«
    »Über das Geld«, flüstert Stanislav. »Sie hat gesagt, das ist nicht genug. Sie meint, dass der Anwalt nicht sehr klug ist.
     Und dass ich hierher kommen und mehr verlangen soll.« Seine Stimme versagt. Tränen stehen ihm in den Augen. »Wir brauchen
     das Geld doch, Sir, für das Baby. Für Mr.   Majevskis Baby. Und wir haben keine Wohnung. Wir müssen wieder bei ihm einziehen.«
    Ah! Schweigen breitet sich aus. Alle scheinen den Atem anzuhalten. Ms. Carter hat die Augen geschlossen wie im Gebet. Vera
     fingert nervös an einem ihrer Schildpattknöpfe herum. Sogar Papa ist wie gelähmt. Schließlich ist es der Richter, der wieder
     das Wort ergreift.
    »Vielen Dank, junger Mann. Du hast getan, worum deine Mutter dich gebeten hat. Für einen jungen Menschen ist es nicht leicht,
     vor Gericht zu sprechen. Du hast deine Sache gut gemacht. Und jetzt setz dich bitte.«
    |319| Dann wendet er sich an uns. »Ich schlage vor, wir unterbrechen für eine Stunde. In der Eingangshalle steht, soviel ich weiß,
     ein Kaffeeautomat.«
     
    Vera schlüpft durch den Hintereingang ins Freie, um dort eine Zigarette zu rauchen. Im Gebäude ist Rauchen verboten, und wie
     bei allen derartigen öffentlichen Gebäuden gibt es auch hier einen inoffiziellen Raucherbereich, wo die Raucher sich zusammenfinden
     und ihre Kippen auf dem Boden hinterlassen.
    Vater möchte keinen Kaffee, sondern lieber Apfelsaft, und weil Apfelsaft im Gerichtsgebäude natürlich nicht aufzutreiben ist,
     mache ich mich auf, um irgendwo im Umkreis einen Laden ausfindig zu machen, wo ich welchen kaufen kann.
    Weiter unten an der Straße sehe ich einen Zeitschriftenladen, und als ich darauf zusteuere, bemerke ich Stanislav, der soeben
     um die Ecke verschwindet. Er scheint es eilig zu haben. Ohne genau zu wissen, warum, gehe ich an dem Laden vorbei und bis
     zur Ecke, um zu sehen, wo Stanislav hingeht. Er überquert die Straße und biegt hinter der Kathedrale nach links ab. Ich folge
     ihm. Jetzt muss ich mich beeilen, um ihn nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Als ich an die Stelle komme, wo er abgebogen
     ist, sehe ich, dass da ein schmaler Pfad ist, der an der Rückseite einiger kleiner Geschäfte entlang- und in ein Gewirr von
     ziemlich heruntergekommenen Reihenhäusern hineinführt. In diesem Teil der Stadt kenne ich mich nicht aus. Stanislav kann ich
     nirgends entdecken, und wie ich so dastehe und mich umschaue, komme ich mir ziemlich dumm vor. Wusste er etwa, dass ich ihn
     verfolge?
    Inzwischen ist die eine Stunde fast vorbei. Ich haste zurück. Im Zeitschriftenladen erstehe ich noch schnell eine Kartonpackung
     Apfelsaft mit Strohhalm, dann nehme ich |320| die Abkürzungüber den Parkplatz und nähere mich dem Gerichtsgebäude von hinten. In einer Nische des Hofs stehen Mülltonnen,
     und daneben läuft eine eiserne Feuerleiter über die Mauer nach oben. Im ersten Stock sehe ich Vera in ihrem schicken rosa
     Jackenkleid am Geländer lehnen und Rauch in die

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