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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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vertreten.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragt Scheidungsexpertin Vera. »Sie hat doch einen Anwalt.«
    »Wissen Sie«, sagt Ms. Carter, »ich darf es Ihnen ja eigentlich nicht sagen, aber in einem so kleinen Städtchen wie Peterborough
     kennt in der Juristenszene jeder jeden.« Sie lächelt breit. »Und inzwischen kennt jeder Valentina. Sie war praktisch schon
     in jeder Kanzlei. Und überall hat man sie satt. Sie und ihre lächerlich hohen Forderungen. Sie lässt sich ja von niemandem
     etwas sagen. Irgendwie hat sie sich in den Kopf gesetzt, dass ihr die Hälfte des Hauses zustehen muss, und wenn ihr jemand
     sagte, dass das nicht so ist, hat sie es einfach nicht geglaubt. Sie hat immer darauf bestanden, dass sie Anspruch auf Rechtskostenhilfe
     hat, um es vor Gericht durchzusetzen, und arrogant, wie sie ist, in ihrem |323| Pelzmantel und mit ihren Fischweib-Manieren, hat sie dieses verlangt und jenes verlangt. Alles auf Basis von Rechtskostenhilfe.
     Aber dafür gibt es ziemlich strenge Regeln. Die eine oder andere Kanzlei hat sich vorübergehend auf sie eingelassen, solange
     sie Honorare einziehen konnte. Aber wenn der Anwalt nicht genau das machte, was sie wollte, ist Valentina einfach abgesprungen.
     Das muss übrigens auch passiert sein, als wir die zweitausend Pfund angeboten haben. Ich wette, ihr Anwalt hat ihr geraten,
     zu akzeptieren.« Sie sieht mich an. »Ich an ihrer Stelle hätte es getan.«
    »Aber das kann der Richter doch nicht gewusst haben.«
    »Ich gehe mal davon aus, dass er seine Schlüsse gezogen hat.« Ms. Carter lacht leise vor sich hin. »Er ist doch nicht dumm.«
    »Direkt und geradeheraus«, murmelt Vera gedankenverloren.
     
    Nach der Aufregung bei Gericht wirkt das Haus, als wir zurückkommen, kalt und düster. Der Kühlschrank ist leer, die Heizung
     ausgefallen. Schmutzige Töpfe, Teller und Tassen stapeln sich im Spülbecken, und auch auf dem Tisch steht schmutziges Geschirr,
     das noch niemand zusammengestellt und zur Spüle gebracht hat. Von Dubov noch immer keine Spur.
    Vaters Stimmung sinkt augenblicklich, als er über die Schwelle tritt.
    »Wir können ihn jetzt nicht allein lassen«, flüstere ich Vera zu. »Kannst du über Nacht bei ihm bleiben? Ich kann mir nicht
     noch einen zweiten Tag freinehmen.«
    »Wenn’s denn sein muss.« Sie seufzt.
    »Danke, Schwesterherz.«
    »Schon in Ordnung.«
    Vater protestiert zwar ein wenig, als wir ihn von diesem Arrangement in Kenntnis setzen, aber offensichtlich ist |324| auch ihm klar, dass sich jetzt etwas ändern muss. Während Vera losgeht und Einkäufe macht, setze ich mich zu ihm ins vordere
     Zimmer.
    »Papa, ich erkundige mich mal wegen Einrichtungen für betreutes Wohnen. Du kannst hier nicht ganz allein wohnen bleiben.«
    »Nein. Kommt nicht in Frage. Betreutes Wohnen nicht. Altenheim auch nicht.«
    »Aber Papa, das Haus hier ist viel zu groß für dich. Du kannst es doch gar nicht sauber halten. Und du kannst es dir auch
     nicht leisten, es zu beheizen. Beim betreuten Wohnen bekommst du eine eigene nette kleine Wohnung. Und einen Pfleger oder
     eine Pflegerin, die sich um dich kümmert.«
    »Pfleger! Pah!« Dramatisch wirft er die Arme in die Luft. »Der Richter hat heute gesagt, dass ich in meinem Haus leben kann.
     Jetzt sagst du, Nadia, dass ich es nicht kann. Muss ich noch einmal vor Gericht gehen?«
    »Ach, sei doch nicht albern, Papa.« Ich greife nach seiner Hand und halte sie fest. »Hör zu, es ist doch besser, wenn du jetzt
     umziehst, solange du noch in einer eigenen Wohnung zurechtkommst, wo du eine Tür hast, die du absperren kannst, und wo du
     tun und lassen kannst, was du willst. Mit einer eigenen Küche, wo du selbst kochen kannst, worauf du Lust hast. Mit einem
     eigenen Schlafzimmer, in das du niemanden hineinlassen musst, und mit Bad und Toilette direkt daneben.«
    »Hmm.«
    »Wir verkaufen dieses Haus an eine nette Familie und legen das Geld auf der Bank an, und mit den Zinsen kannst du dann deine
     Miete bezahlen.«
    »Hmm.«
    Ich sehe, dass sein Gesichtsausdruck sich zu verändern beginnt, während ich spreche. »Wo würdest du denn lieber |325| sein? Würdest du lieber in Peterborough bleiben, damit du deine Freunde und den Ukrainischen Club in der Nähe hast?«
    Er sieht mich verblüfft an. Es war Mutter, die Freunde in Peterborough hatte. Er hatte nur große Ideen.
    »Oder würdest du vielleicht lieber nach Cambridge umziehen, damit du näher bei Mike und mir bist?«
    Schweigen.
    »Okay, ich schaue

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