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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Wagen ist zugelassen oder
     versichert. Und sie hat auch noch immer nicht ihre Führerscheinprüfung abgelegt.
    »Wer ist dieser Eric Pike, Papa?« Die Notiz in ihrer Unterwäscheschublade mit dem angebissenen Schinken-Sandwich fällt mir
     wieder ein.
    »Das ist eigentlich ein sehr interessanter Mann. Ehemaliger Pilot bei der Royal Air Force. Düsenjet-Kampfflieger. Jetzt ist
     er Gebrauchtwagenhändler. Hat einen großartigen Schnauzbart.«
    »Und eine sehr enge Beziehung zu Valentina?«
    »Nein, glaube ich nicht. Da gibt es keine Gemeinsamkeiten. Valentina interessiert sich doch nicht für Autos, höchstens zur
     eigenen Selbstdarstellung. Ist eigentlich ein ganz hübscher Wagen. Kommt aus dem Besitz von Lady Glaswyne. War wohl viele
     Jahre lang in der Landwirtschaft eingesetzt zum Transport von Heu, Schafen, Düngemittelsäcken oder weiß der Himmel was. Fast
     wie ein Traktor. Jetzt sind einige Reparaturen fällig.«
     
    |199| Mike bricht in schallendes Gelächter aus, als er des Rollers ansichtig wird, der vollkommen schief im Gras vor dem Wohnzimmerfenster
     liegt und aussieht wie ein Schwan mit einem gebrochenen Flügel. Allem Anschein nach ist die Federung kaputt. Giftige braune
     Flüssigkeit tropft aus dem Bauch des Rollers ins Gras. Sein einstmals weißer Lack ist jetzt ein Patchwork aus kleinen ausgebesserten
     Stellen, Spachtelmasse und Rostflecken. Mike und Vater stapfen darum herum, tätscheln, klopfen hier und dort und schütteln
     bedeutsam die Köpfe.
    »Sie will, dass ich ihn repariere«, sagt Vater und zuckt hilflos die Achseln, als sei er der Märchenprinz, dem zum Beweis
     seiner Liebe eine unlösbare Aufgabe von der Prinzessin gestellt wurde.
    »Ich glaube, da lässt sich nicht mehr viel reparieren«, sagt Mike. »Und überhaupt, woher sollst du die Ersatzteile nehmen?«
    »Stimmt«, sagt Vater, »ein paar Ersatzteile wären schon nötig. Aber auch dann ist es keineswegs sicher, dass er wieder läuft.
     Wirklich schade. Solch ein Wagen darf eigentlich nicht kaputtgehen. Hat offenbar sehr gelitten unter falscher Behandlung in
     letzter Zeit. Trotzdem – schönes Stück   …«
    In diesem Moment taucht Valentina aus dem Haus auf. Obwohl Juni ist und das Wetter schön warm, hat sie sich in einen mächtigen
     Pelzmantel – schmale Taille, ausladende Schultern – gehüllt, den sie wie ein Filmstar mit ihren tief in den Manteltaschen
     vergrabenen Händen zusammenhält. Allerdings ist sie so dick geworden, dass er vorn kaum zugeht. Um ihren Hals baumelt eine
     Kette mit glitzernden Steinen, die bei schlechter Beleuchtung als Diamanten durchgehen könnten. Stanislav in kurzärmeligem
     Hemd kommt, ihre Tasche in der Hand, hinter ihr her.
    Sie bleibt stehen, als sie uns drei im Garten vor ihrem Roller entdeckt. »Ist schönes Auto?« Wir sind alle drei angesprochen |200| , aber sie schaut antwortheischend nur Mike an.
    »Ja«, stimmt Mike zu, »ein sehr schönes Auto. Nur möglicherweise eher ein Museumsstück oder für einen Sammler als zum Fahren
     auf der Straße.«
    »Hallo, Valentina«, lächle ich sie an, »du siehst sehr elegant aus. Gehst du aus?«
    »Richtig.« Sie wendet nicht mal den Kopf zu mir um.
    »Na, Stanislav, und wie findest du den Wagen? Gefällt er dir?«
    »Oh ja. Der ist besser als ein Zill.« Zahnlückenlächeln. »Am Ende kriegt Valentina doch immer, was sie will.«
    »Der Wagen ist kaputt«, sagt Vater.
    »Du reparieren«, schnappt Valentina. Weil ihr dann aber wieder einfällt, dass sie nett zu ihm sein sollte, beugt sie sich
     zu ihm hinab und tätschelt ihm die Wange. »Mr.   Ingenieur.«
    Mr.   Ingenieur richtet sich, so gut es geht, zu seiner vollen Höhe auf.
    »Rolls-Royce ist kaputt. Lada ist kaputt. Rover ist auch bald kaputt. Nur Zu-Fuß-Gehen geht nicht kaputt. Haha.«
    »Du auch bald kaputt«, sagt Valentina. Als sie meinem Blick begegnet, lacht sie ein wenig, als wolle sie sagen: War nur ein
     Scherz.
    Sie fährt mit Stanislav im Rover davon, wobei sie eine Rauchwolke und den Geruch von etwas Verbranntem hinter sich herzieht.
     Während Mike und Vater weiter den Roller inspizieren, gehe ich ins Haus und blättere die Gelben Seiten durch.
    »Hallo, spreche ich mit Mr.   Eric Pike?«
    »Was kann ich für Sie tun?« Seine Stimme klingt ölig und rau zugleich, wie zu heiß gewordenes Motorenöl.
    »Ich bin die Tochter von Mr.   Majevski. Sie haben ihm einen Wagen verkauft.«
    |201| »Ah ja.« Sandpapierlachen. »Valentinas Roller. Kam, wie Sie vielleicht

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