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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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wissen, aus dem Glaswyne-Besitz.«
    »Mr.   Pike, wie konnten Sie das nur tun? Sie wissen doch ganz genau, dass der Wagen nicht fährt.«
    »Nun ja, Miss   … äh, Mrs.   … äh, also, Valentina hat gesagt, ihr Mann sei Techniker. Ein sehr erfahrener Techniker. Flugzeugbauingenieur. Und ich kenne
     mich zufällig mit Flugzeugen auch ein wenig aus.« Jetzt kommt ein vertraulicher Unterton in die Öl-Sand-Stimme. »Wissen Sie,
     Ukrainer gehörten im Flugzeugbau in den dreißiger Jahren zur Weltspitze. Sikorski hat den Hubschrauber erfunden. Losinski
     hat an der MiG gearbeitet. Die habe ich selbst in Korea in Aktion gesehen. Hübsche kleine Kampfflugzeuge. Und als Valentina
     mir erzählte, dass ihr Mann ihr versprochen hat, den Roller in null Komma nichts wieder in Gang zu bringen   … Glauben Sie mir, ich hatte meine Zweifel, aber sie klang sehr überzeugend. Sie wissen ja, wie sie ist.«
    »Mein Vater hat ihn sich angesehen und sagt, er kann ihn nicht reparieren. Vielleicht könnten Sie ihn einfach wieder abholen
     und das Geld zurückgeben.«
    »Fünfhundert Pfund sind ein sehr guter Preis für einen Oldtimer-Rolls-Royce.«
    »Nicht, wenn er nicht fährt.«
    Am anderen Ende der Leitung herrscht Schweigen.
    »Mr.   Pike, ich weiß, was hier läuft. Ich weiß Bescheid über Sie und Valentina.«
    Noch immer Schweigen, dann klickt es. Dann kommt das Freizeichen.
     
    Lady Di mag den Roller. Auf der Beifahrerseite lässt sich das hintere Fenster nicht ganz schließen. Da kann er sich durchquetschen.
     Auch seine Freundinnen und Freunde kommen, und alle zusammen machen sie es sich nächtelang auf den teuren Ledersitzen gemütlich
     und setzen hübsche |202| Duftmarken, damit jeder weiß, wer hier das Sagen hat. Lady Di hat eine dünne scheue Tigerkatze zur Freundin, die sehr bald
     unübersehbar schwanger ist. Sie rollt sich am liebsten auf dem Fahrersitz zusammen, wo sie die Krallen tief im weichen Leder
     versenken kann.
    Der Juni ist unverhältnismäßig nass. Es regnet so viel, dass der Rasen sich in eine einzige große Schlammpfütze verwandelt,
     in die der Roller immer tiefer hineinsinkt. Außen herum schießen Gras und Unkraut in die Höhe. Auf dem Vordersitz kommt Lady
     Dis Freundin mit ihren Jungen nieder – vier an der Zahl, kleine blinde weiche Knäuel, die an ihrer dünnen Mutter saugen und
     mit den Pfötchen rhythmisch ihren Bauch bearbeiten. Papa, Valentina und Stanislav sind entzückt von ihnen und wollen sie ins
     Haus umsiedeln, aber die Freundin packt sie eins nach dem anderen am Kragen und schleppt sie wieder in den Roller zurück.
     
    Kurze Zeit darauf macht Vera sich zu ihrem geplanten Besuch bei Vater auf. Sie fährt in ihrem zerbeulten Golf-Cabrio – einer
     Liebesgabe von Big Dick (damals selbstverständlich noch ohne Beulen) aus Zeiten, da er noch glaubte, sie zu lieben – von Putney
     nach Peterborough und kommt am Nachmittag an. Stanislav und Valentina sind nicht daheim, und Papa macht bei auf volle Lautstärke
     aufgedrehtem Radio in seinem Sessel ein Nickerchen. Als Vera vor ihm steht, wacht er auf und stößt bei ihrem Anblick unwillkürlich
     einen Schrei aus: »Nein! Nein!«
    »Du meine Güte, Papa, sei bloß ruhig. Wir hatten diese Woche schon genug dramatische Szenen«, bellt sie ihn an. Sie schaut
     sich um, als glaube sie, Valentina verstecke sich irgendwo in einer Ecke. »Also! – Wo ist sie?«
    Vater sitzt in seinem Sessel, hält sich mit beiden Händen an den Armlehnen fest und sagt gar nichts.
    »Wo ist sie, Papa?«
    |203| Er presst theatralisch die Lippen zusammen und starrt geradeaus vor sich hin.
    »Papa, mein Gott, ich bin den ganzen Weg von Putney hierher gefahren, um dich aus diesem Schlamassel rauszuholen, in das du
     dich selbst hineinmanövriert hast, und du bringst es nicht mal über dich, mit mir zu reden.«
    »Du hast gesagt, ich soll ruhig sein. Also bin ich ruhig.« Damit presst er die Lippen wieder zusammen.
    Meine große Schwester wandert durchs Haus, schaut in jedes Zimmer und wirft lautstark die Türen wieder hinter sich zu. Sie
     schaut sogar im Schuppen und im Gewächshaus nach. Dann geht sie zurück ins Zimmer zu Vater. Er hat sich nicht bewegt in der
     Zwischenzeit. Seine Lippen sind noch immer fest aufeinander gepresst.
     
    »Wirklich, Nadia«, sagt Vera zu mir, »ich konnte ganz gut verstehen, dass Valentina ihm eine Tasse Wasser übergekippt hat.
     Ich war nah dran, dasselbe zu machen.«
    Ich antworte nicht. Meine Lippen sind fest

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