Kurzschluss
wie dort manipuliert wird.«
Hasso schluckte. Neu war ihm dieser Verdacht zwar nicht, aber dass es nun offenbar konkrete Hinweise gab, das verschlug ihm die Sprache.
»Frag mich aber bitte nicht, was genau Frau Rothfuß erfahren hat. Das wollte sie mir so deutlich nicht sagen. Zumindest noch nicht. Sie hat jemanden gesucht, der ihr aus dem Schlamassel helfen kann, wie sie sich ausgedrückt hat. Und jemanden, der mit den Dokumenten etwas anzufangen weiß. Vielleicht, so hat sie gemeint, würden sie mir in gewisser Weise sogar helfen, etwas herauszuschlagen.«
»Wie muss man das verstehen?«
»Dass man vielleicht nicht gleich die Polizei einschaltet.«
Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Du willst da, also du willst doch nicht etwa auf eigene Faust …?«
Sie zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck Wein. »Ich weiß ja noch gar nicht, was da drin steht, in diesen Dokumenten.«
»Sie hat gar nichts angedeutet?«
»Nein. Sie hat wohl nur mal sehen wollen, wie ich darauf reagiere.«
»Wie hast du denn reagiert?«
»Offen. Offen für alles, Hasso. Es war ein Gespräch unter Frauen, das wir am Wochenende fortführen wollten, wieder in Luizhausen.«
»Und dann?«
»Sie wollte mir Kopien mitbringen, damit ich sie verwahre. Denn sie hatte Angst. Angst, dass mit den Dokumenten etwas passiert.« Gaby zögerte, ergänzte dann aber: »Und ihr auch.«
Hasso spürte das Verlangen, dies alles erst einmal in Ruhe überdenken zu können. Doch Gaby schreckte ihn mit einer sachlich formulierten Bemerkung auf: »Ich hab dich nun in die Sache eingeweiht, weil ich in großer Sorge bin, dass dir etwas zustößt.«
Er sah sie entgeistert an.
Doch es kam noch schlimmer: »Und ich sage es dir auch«, fuhr sie fort, »falls du selbst in die Sache verwickelt bist.« Ihre Stimme wurde kühl, ihr Blick misstrauisch. »Denn irgendjemand hat gewaltig Dreck am Stecken. Silke wollte mir am Samstagabend Namen nennen.«
Hasso rang nach Worten. Was hatte sie da gesagt? Irgendjemand? Meinte sie auch ihn? Natürlich. Sie meinte ihn. Oder Bodling, Wollek, Feucht – oder einen der anderen, deren Namen seit vorgestern kursierten.
»Ist das dein Ernst?«
»Die ganze Sache ist ernst, verdammt ernst. Man hat Silke daran gehindert, sich mit mir ein zweites Mal zu treffen, verstehst du?« Sie sah Hasso von der Seite kritisch an. »Aber eines muss derjenige wissen«, sagte sie leise, jedoch mit triumphierendem Unterton: »Ich hab zwar nichts Schriftliches, doch was ich weiß, würde ausreichen, um eine Bombe platzen zu lassen.«
*
»Was meint eigentlich der Wetterbericht?« Häberle hatte im Lehrsaal ein Fenster geöffnet und die feuchtkühle Luft eingesogen. Die Straßenlampen waren bereits an und er hätte sich jetzt nichts sehnlicher gewünscht, als mit Susanne zusammen ein Glas Rotwein zu trinken. Daheim im Garten oder in einem gemütlichen Lokal. Drei Tage waren bereits vergangen und noch immer fügte sich kein richtiges Bild zusammen. Zwei Morde, eine Vermisste – dazu zwei Brandanschläge. Oder, nahm man Mariottis Wohnung in Leipzig hinzu, sogar drei. Und das ganze Strickmuster, davon war Häberle zutiefst überzeugt, sah nicht nach einer Beziehungstat oder einer verschmähten Liebe aus.
»Die Rothfuß ist zur Fahndung ausgeschrieben, samt Fahrzeug«, erklärte Linkohr, der bemerkt hatte, dass der Chef ermattet und nachdenklich in die Dämmerung hinausstarrte.
»Was wissen wir über diesen Taler?«, fragte Häberle.
»Ein gut situierter Mensch, ohne Tadel – keine Frage«, gab Linkohr zurück. »Scheint ziemlich erfolgreich gewesen zu sein und hat sich nun für den sogenannten aktiven Ruhestand entschieden. Kommunalpolitik, Berater in Energiefragen; was man halt so macht, wenn man geistig und körperlich fit pensioniert wird.«
Häberle überlegte für einen Moment, was dies für ihn bedeuten würde. Jedenfalls nichts, was weiterhin mit dem Job zu tun haben würde. Man muss loslassen können, sagte er immer. Loslassen, einen Lebensabschnitt beenden und einen neuen anfangen. Alles zu seiner Zeit. Und man durfte keiner abgeschlossenen Sache nachweinen. Alles war gut und schön zu seiner Zeit. Morgen ist morgen – und ein neuer Abschnitt.
»Habt ihr denn im geschäftlichen Rechner der Rothfuß schon etwas aufgespürt?«, fragte er ruhig weiter, ohne sich seine Müdigkeit anmerken zu lassen.
»Nur oberflächlich erst mal«, erklärte Linkohr. »Ist ja eigentlich nicht wirklich ihr Rechner, sondern einer ihrer
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