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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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durch die Windschutzscheibe atemberaubend tief hinab zum Geirangerfjord, wo gerade ein Kreuzfahrtschiff die Anker lichtete.
    »Schau mal da rüber«, deutete Doris unerwartet nach links. »Der aus Baden-Baden ist auch raufgefahren.«
    Sander spürte, wie er bleich wurde. Er griff instinktiv zu der Tasche, in der sich die Videokassette befand.

35
    Sie war durch einen neblig-tristen Juni-Abend über die Hochfläche der Alb gefahren. Von Ulm nach Heroldstatt brauchte sie knapp eine halbe Stunde. Gaby Büttner stellte ihren dunkelgrauen Ford Galaxy vor Hasso Schweizers Doppelhaushälfte ab und wurde von ihm freudig empfangen. Allerdings blieb es bei einem flüchtigen Küsschen, denn die verzauberte Atmosphäre, die beide seit Wochen spürten und genossen, hatte in den vergangenen beiden Tagen spürbar gelitten. Und seit ein paar Stunden schien es ihr so, als werde sie in eine nach unten gerichtete Spirale gezogen.
    Als sie jetzt vor ihm stand, vergaß er seine Anspannung. Er hatte bereits eine Flasche Rotwein, den er aus der Toskana mitgebracht hatte, bereitgestellt – ganz so, wie sie es liebte. »Schön, dass du Zeit gefunden hast«, schmeichelte er und es klang, als falle ihm nichts Passenderes ein. Er füllte die beiden bauchigen Gläser bis zur Hälfte.
    »Du weißt, ich würde mir am liebsten alle Zeit der Welt nehmen«, meinte sie strahlend. Mit ihrem Pagenschnitt kam sie ihm wie ein keckes Mädchen vor, obwohl sie 15 Jahre älter war als er.
    Nachdem er die Flasche wieder verkorkt hatte, setzte er sich an Gabys Seite und prostete ihr zu. »Auf uns – egal, was kommen mag.«
    Ihr Strahlen war bereits wieder aus ihrem Gesicht verschwunden. »Ich fühl mich einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt, Hasso. Entschuldige, aber so sehr ich dich mag, das weißt du, wir müssen ein paar wichtige Punkte bereden.« Sie lehnte sich zurück. Draußen trieb der Wind dicke Regentropfen gegen die Fensterscheiben. Das Wetter passte zu ihrer Gemütslage. »Dass Silke, ich meine Frau Rothfuß, verschwunden ist, ist ein ziemlicher Schock für mich«, begann sie und schloss für zwei Sekunden die Augen.
    »Silke?«, staunte Hasso. Nie zuvor hatte er bemerkt, dass sie Bodlings Aushilfssekretärin duzte.
    Gaby rechtfertigte sich sofort. »Silke … ja, Silke und ich hatten gestern Kontakt. Dass wir uns kennen, weißt du doch. Beim Betriebsfest«, ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, denn sie wussten beide, dass auch sie sich bei jener Veranstaltung nähergekommen waren, »da haben wir einige Worte gewechselt. Sie ist ein nettes Mädel.«
    Hasso ließ sich nichts anmerken. Es wäre völlig unangebracht gewesen, diese Feststellung zu kommentieren. Aber zweifelsohne hatte Gaby recht. Frau Rothfuß war tatsächlich nett. »Wieso hast du mir nichts davon erzählt?«
    »Hätte ich das sollen? Dass sie meinem Ex den Stromzähler besorgt hat, damit ich ihn dieser Speidel geben konnte. Ausgerechnet der, so ein Schwachsinn! Das weißt du doch alles. Irgendwie hat sie mich vielleicht auch sympathisch gefunden. Keine Ahnung. Gestern Vormittag hat sie mich plötzlich angerufen und gemeint, wir müssten Wichtiges miteinander besprechen.«
    Er lehnte sich auch zurück, obwohl er Gaby viel lieber in den Arm genommen hätte. »Ihr beide? Etwas besprechen?«
    »Ja, aber sie wollte das nicht am Telefon tun. Und deshalb haben wir uns ganz unverfänglich auf halber Strecke getroffen, in der Löwen-Post oder wie das heißt, in diesem netten schwäbischen Gasthaus in Luizhausen.«
    Hasso rutschte unruhig auf der weißen Ledercouch hin und her. »Jetzt bin ich aber gespannt.«
    »Ich war’s auch, das kannst du dir vorstellen.« Gaby war so ernst, wie er sie noch nie erlebt hatte. »Aber ich sag dir, sie hat Dinge angedeutet, da graust es einem.«
    »Angedeutet?« Hasso Schweizer wurde ungeduldig. Sein Blutdruck stieg, doch er wollte sich seine Aufregung nicht anmerken lassen. Deshalb griff er behutsam zum Glas und trank.
    »Sie hat gesagt, sie müsse mir etwas anvertrauen, weil sie seit dem Tod meines Mannes in einen ganz großen Gewissenskonflikt geraten sei.« Gaby atmete tief durch. Sie wirkte blass und aufgewühlt. Er schwieg und ermunterte sie mit einem sanften Kopfnicken, weiterzureden. »Sie sei an Dokumente gekommen«, fuhr Gaby fort, »die von höchster Brisanz seien.« Sie dachte für ein paar Sekunden nach, doch hatte sie längst beschlossen, ihn zumindest teilweise einzuweihen. Deshalb sagte sie schnell: »Es geht um eure Strombörse und

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