Kurzschluss
Geschehens zu überlegen.
»Und dafür hatte sie Beweise?«, hakte Linkohr deshalb nach und machte sich Notizen.
»Sie hat gesagt, sie habe engen Kontakt zu einer Person, die tief in die Sache verstrickt und bereit sei, über Leichen zu gehen, falls etwas von dem, was die beiden Männer herausgefunden hätten, an die Öffentlichkeit gerate.« Sie stockte wieder und Linkohr bemerkte, dass sie zitterte. »Es muss sich um Daten und Dokumente gehandelt haben, mit denen zu beweisen wäre, wie Großkonzerne die Strompreise puschen. Woher die Daten stammen, wollte sie mir aber nicht verraten.«
Linkohr nutzte eine neuerliche Pause, um sachlich zu fragen: »Und Frau Rothfuß wollte sich Ihnen anvertrauen?«
»Sie hat jemanden gesucht, mit dem sie sich austauschen konnte. Wahrscheinlich stand ich ihr trotz allem am nächsten, schließlich hat Frank dies alles wohl mit dem Leben bezahlt.« Für einen Moment schloss sie die Augen.
»Wie sind Sie dann mit ihr verblieben – ich meine: Wäre es nicht angebracht gewesen, sich mit uns in Verbindung zu setzen?«
Frau Büttner zögerte. »Das hab ich ihr empfohlen, und ich hab mir seit zwei Tagen überlegt, ob ich es tun soll und darf. Aber weil nun zu befürchten ist, dass ihr etwas zugestoßen ist, kann ich mich nicht länger an mein Versprechen halten, niemandem etwas darüber zu sagen.« Noch einmal rang sie nach Worten. »Frau Rothfuß ist wohl in irgendeiner Weise selbst in die Sache verwickelt. Sie hat denen, die offenbar an den Spekulationen und Manipulationen beteiligt waren, zugearbeitet und Geschäftsunterlagen des Albwerks weitergegeben. Nachdem sie nun aber gemerkt hat, dass ihre, ja sagen wir mal, Auftraggeber vor einem Verbrechen nicht zurückschrecken, hat sie aussteigen wollen.« Frau Büttner sah Linkohr ins Gesicht: »Wären Sie da gleich zur Polizei gegangen?«
Der Jungkriminalist erwiderte nichts. »Wie ist man dann verblieben?«, wiederholte er seine Frage von vorhin.
»Wir wollten uns am Wochenende, morgen Abend, bei mir wieder treffen. Sie wollte mir einige Unterlagen mitbringen. Ich war fest entschlossen, das dürfen Sie mir glauben, anschließend die Polizei einzuschalten.«
Linkohr nickte verständnisvoll – genau so, wie er es von Häberle gelernt hatte. Er ließ ein paar Sekunden verstreichen, um dann die wichtigste Frage zu stellen, die ihm seit Minuten auf den Nägeln brannte: »Diese Person, von der Frau Rothfuß gesprochen hat – ist die Ihnen namentlich bekannt?«
Wieder glaubte er in Frau Büttners Verhalten ein Zögern zu erkennen. »Nein, Silke, also Frau Rothfuß, wollte ihn vorläufig für sich behalten. Sie hätte ihn mir aber sicher morgen Abend genannt.«
45
Häberle war in das Hotel gefahren, das ihm ein Leipziger Kollege empfohlen hatte. Er checkte ein, duschte, griff zu seinem herben Parfüm und zog ein leichtes helles Freizeitjackett und eine helle Hose an. Als er sich im Spiegel betrachtete, fühlte er sich passend zur Rolle gekleidet, die er heute Abend spielen wollte: der lockere Typ gesetzteren Alters. Das Wort Playboy verdrängte er. Um an den Bars oder wo auch immer besonders lässig wirken zu können, steckte er mehrere Zwanzigeuroscheine in die Brusttasche und vorsorglich noch einen Fünfziger in die rechte Jackentasche. In bestimmten Etablissements schickte es sich nicht, das Geld gut bürgerlich aus einem Portemonnaie zu fingern.
Das Happy-Hour-House, so hatten ihm die Kollegen am Telefon berichtet, galt als eine der ersten, aber auch teuersten Adressen für Freunde der erotischen Abenteuer.
Er stellte seinen Audi in einem Parkhaus ab, schaltete sein Handy aus und ging noch etwa 200 Meter zu Fuß. Vor besagtem Gebäude, an dessen Fassade rote und violette Lichter blinkten und der Schriftzug ›Happy-Hour‹ indirekt beleuchtet wurde, ließen die Fahrzeugtypen erkennen, welche Gesellschaft hier verkehrte. Hier ein Mercedes SLK, dort ein BMW der 7er-Reihe. Drüben ein Porsche mit Hamburger Kennzeichen, daneben ein Jaguar. Dass sie alle im absoluten Halteverbot parkten, wie Häberle feststellte, ließ vermuten, dass den Fahrern die Gesetze ziemlich egal waren.
Der Kriminalist versuchte vergeblich, die schwere weiße Alutür zu öffnen. Er hatte nichts anderes erwartet, denn derlei Clubs öffneten sich nur durch Klingeln und Gesichtskontrolle.
»Hey«, grüßte Häberle einen Kleiderschrank, der die Tür öffnete. »Habt ihr noch ein Plätzchen?«
»Schon mal hier jewesen?«, fragte der Aufpasser in bestem
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