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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Kurzschluss oder den Kollaps des persönlichen Systems ausgelöst hatten. Sozusagen wie bei einem Computersystem, das unter bestimmten Voraussetzungen zusammenbrechen konnte.
    Häberle war so sehr in seine Gedanken vertieft, dass er bei der Ankunft am Geislinger Stadtrand nicht mehr hätte sagen können, an wie vielen Ampeln er hatte halten müssen. Er ertappte sich dabei, wieder mal während der Fahrt zu einem neuen Tatort über die Untiefen der menschlichen Seele nachgedacht zu haben. In welche psychische Ausnahmesituation musste jemand geraten, dass er einen anderen Menschen umbrachte, die Leiche zu einem abgelegenen See transportierte und dann mit einem Stein um den Hals im Wasser versenkte? Das sah nicht nach einer Affekthandlung aus. Nicht nach einer Beziehungstat. Ein Eifersüchtiger schießt, sticht zu oder würgt – aber er ist anschließend nur in den seltensten Fällen in der Verfassung, die Leiche weit übers Land zu fahren und kaltblütig verschwinden zu lassen. Wenn es so war, wie ihm der Direktionsleiter kurz die ersten Erkenntnisse der Spurensicherung und des Gerichtsmediziners geschildert hatte, dann ließ alles auf ein berechnendes Vorgehen schließen. Der Täter hatte sein Opfer nicht nur in den See geworfen, sondern auch dafür gesorgt, dass es unterging. So handelte man nicht im Affekt. Das erforderte Planung, vor allem aber eine gewisse Skrupellosigkeit. Denn es bestand stets die Gefahr, beim Transport oder Ausladen der Leiche beobachtet zu werden.
    Als Häberle das Backsteingebäude der Kriminalaußenstelle Geislingen betrat, wurde er von den dortigen Kollegen freundschaftlich begrüßt. Im Lehrsaal, wo sich in solchen Fällen die Sonderkommission niederließ und bereits rege Geschäftigkeit herrschte, kam Mike Linkohr auf ihn zu.
    »Mensch, Linkohr«, grinste Häberle und schüttelte ihm die Hand. »Endlich mal wieder was für uns zwei.«
    »Wir werden’s hinkriegen«, erwiderte der schnauzbärtige Kriminalist und ging wie selbstverständlich davon aus, dass er dem großen Ermittler wieder assistieren durfte. Häberle ließ daran auch gar keinen Zweifel aufkommen, sondern lobte sofort die Vorbereitungen, die Linkohr getroffen hatte: Tische waren zusammengeschoben, Computer bereitgestellt und miteinander verkabelt. Während bereits weitere Kriminalisten ihre Arbeitsplätze einrichteten, bat Schmittke den Chefermittler zu sich ins Büro, ließ die Tür aber offen.
    »Die Kollegen der Spurensicherung sind noch draußen«, erklärte er den Sachstand. »Sie haben schon einiges sichergestellt.« Er verwies auf die Reifenspuren und den Parkschein aus Mirow.
    »Keine persönlichen Gegenstände?«, hakte Häberle nach. Er verschränkte die Arme vor der voluminösen Brust, wodurch sich das Jeanshemd unter der Freizeitjacke bedrohlich spannte.
    »Nichts. Nur einen Geldbeutel mit knapp 20 Euro, aber keine Karten oder sonst was.«
    »Handy?«
    Schmittke schüttelte den Kopf. »Nichts. Es sieht so aus, als habe der Täter dafür gesorgt, dass sein Opfer nicht so schnell identifiziert werden kann.«
    Häberle überlegte. »Und wenn er ihn ausrauben wollte, hätte er ihm den Geldbeutel abgenommen.«
    »Das hätte er aber auch tun können, wenn er nur Dokumente beseitigen wollte.«
    Der Chefermittler nickte. »Stimmt«, beschied er knapp, als das Telefon auf dem Schreibtisch schrille Töne von sich gab und Schmittke sich sofort meldete.
    Er lauschte, machte sich Notizen und versprach, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Er legte auf und sah einem gespannten Häberle in die Augen. »Da glaubt jemand, den Toten zu kennen.« Schmittke blickte auf seine Notizen: »Soll Frank Büttner heißen, von seiner Frau getrennt leben und im Albwerk arbeiten.«

11
    Eigentlich hatte sich Häberle den Fundort der Leiche anschauen wollen, wie er das immer tat, um die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen, mit der der Täter konfrontiert gewesen war. Doch jetzt erschien es ihm weitaus wichtiger, möglichst schnell die Identität des Opfers herauszufinden. Er ließ sich mit dem Chef des Albwerks verbinden und erklärte, gleich bei ihm zu sein. Der Sitz des genossenschaftlich organisierten Unternehmens war nur knapp einen Kilometer entfernt. Häberle stellte den Wagen auf dem Kundenparkplatz des dazu gehörenden Elektromarktes ab, um sich im Ladengeschäft den Weg zum Verwaltungstrakt zeigen zu lassen. Dort empfing ihn im ersten Obergeschoss die überaus freundliche Vorzimmerdame des Vorstandsvorsitzenden, die ihm

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