Kurzschluss
Steckdose gezogen hatten.
Häberle entschied, das Feld den Kollegen der Spurensicherung zu überlassen.
»Es scheint so, als hätten wir mächtig Dusel gehabt«, stellte er beim Hochgehen fest.
Linkohr überlegte kurz. »Aber als wir gekommen sind, hat’s noch nicht gerochen.«
»So ist es«, bestätigte sein Chef. Sie verließen das Gebäude und inhalierten die frische Abendluft. »Da hat einer nicht gemerkt, dass er nicht allein da drin war.«
»Sie meinen …?« Erst in diesem Augenlick wurde Linkohr klar, welcher Gefahr sie ausgesetzt gewesen waren. »Sie meinen, der hat dort unten in aller Ruhe die Lunte gelegt, während wir ganz oben waren?«
Häberle blieb im Vorgarten stehen, um zwei Feuerwehrmännern Platz zu machen. »Nur so kann’s gewesen sein«, knurrte er. »Aber der, der die Bude hat abfackeln wollen, muss einen Schlüssel gehabt haben.«
»Oder er ist nach uns gekommen«, gab Linkohr zu bedenken. »Die Tür war offen und er konnte problemlos in den Keller.«
»Glaub ich nicht. Es wäre ein viel zu großer Zufall gewesen, wenn er mit Schaltuhr und Nitrolösung anrückt und wir ihm just zu diesem Zeitpunkt die Tür geöffnet haben. Nein, er muss darauf vorbereitet gewesen sein, die Tür öffnen zu können.«
Linkohr stutzte. »Gibt es eigentlich noch einen zweiten Eingang?«
Der Kommandant, der im Vorbeigehen die Frage gehört hatte, erklärte: »Ja, unten geht’s in den Garten raus. War aber verschlossen. Allerdings war dort ein Fenster offen.«
»Ach«, staunte Häberle und blieb stehen, da von der Haustür her die Stimme eines Mannes das Dröhnen der Motoren und Dieselaggregate übertönte: »Entschuldigen Sie, Herr Häberle.« Es war einer der Feuerwehrmänner. »Vielleicht interessiert es Sie. Wir haben da etwas gefunden.«
Häberle und Bergner drehten sich zu dem jungen Uniformträger um, der einen kleinen Gegenstand in der Hand hielt. Aus der Entfernung sah es aus wie eines dieser billigen Einwegfeuerzeuge.
»Das lag draußen vor dem offenen Fenster«, erklärte der Feuerwehrmann beim Näherkommen, wobei er den Gegenstand zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. »Ein USB-Stick«, fuhr er fort.
*
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie jetzt noch störe«, sagte der Mann, der an Brauns Wohnungstür geklingelt hatte. Arthur Speidel war nicht unangekündigt gekommen. Vor einer halben Stunde hatte er ziemlich aufgewühlt bei Braun angerufen und gebeten, ihn wegen der Sache von heute Morgen kurz besuchen zu dürfen.
»Kommen Sie rein«, sagte Herbert Braun und nahm den Mann, der immer noch unsicher wirkte, mit in das rustikal eingerichtete Esszimmer, das sich an einer Seite zur Küche hin öffnete und nur durch eine Arbeitsplatte davon abgegrenzt wurde. Brauns Ehefrau sortierte gerade das Essgeschirr in die Spülmaschine, als die beiden Männer eintraten.
»Das ist Herr Speidel«, stellte ihr Braun den Besucher vor.
Sie wusste Bescheid, trocknete die Hände ab und begrüßte ihn. »Lasst euch nicht stören«, lächelte sie und wandte sich wieder ihrem Geschirr zu, während Speidel seinen olivgrünen Parka auszog und auf einen freien Stuhl warf.
Kaum hatten sie Platz genommen, kam Speidel, noch immer unrasiert und ungepflegt, als sei er seit heute Morgen nicht mehr daheim gewesen, gleich zur Sache: »Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir Ihre Telefonnummer gegeben haben. Vielleicht ist es auch aufdringlich, wenn ich Sie um diese Zeit noch belästige, aber …«
»Kein Problem«, beruhigte ihn Braun. »So ein Tag geht nicht spurlos an einem vorbei.«
»Ich werde das Bild ein Leben lang nicht vergessen. Dieser Mann – wie er im Wasser lag. Das steckt man nicht einfach weg.« Er roch nach Zigarettenqualm.
Braun nickte. »Darf ich Ihnen etwas zum Trinken anbieten?«
»Nein, danke. Ich will Sie nicht lange belästigen. Es ist nur … Wissen Sie, wir haben uns dort draußen ja nie zuvor gesehen.« Er verkrampfte seine Finger und seine Augenlider zuckten nervös. »Genauso gut hätten auch Sie den Mann finden können.«
Braun verschränkte die Arme und blickte in glasige Augen.
»Aber nun war’s ich, der ihn gefunden hat«, machte Speidel weiter. Seine Stimme klang leise und verriet Unsicherheit. »Ausgerechnet ich hab ihn gefunden. Und als ich bei der Kriminalpolizei war, und die mich so viel gefragt haben, war ich wie gelähmt. Wissen Sie, ich bin noch nie verhört worden.«
Brauns Frau ließ die Klappe der Geschirrmaschine zufallen und schaltete das Gerät ein. Dumpf war das
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