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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Rauschen des Wassers zu hören.
    »Ich bin auch noch nie verhört worden«, beruhigte ihn Braun.
    »Im Umgang mit den Behörden tue ich mich schwer. Seit ich mit dem Arbeitsamt und dem Jobcenter und all dem Zeug zu tun hab, fühle ich mich sowieso verlassen und hintergangen.« Speidel fuhr sich mit dem rechten Handrücken über die Nase. »Wenn man in meinem Alter keinen Job mehr hat, ist man der letzte Arsch. Entschuldigen Sie, wenn ich das so sage.«
    Braun nickte zustimmend. Er hatte diese Phase auch durchgemacht, dann aber eine sinnvolle Betätigung beim Naturschutz gefunden. Dies brachte ihm zwar eine innere Befriedigung und das Gefühl, gebraucht zu werden, doch wirklich leben konnte er davon nicht. Bis er den ersten Rentenanspruch haben würde, musste er auf seine mühsam ersparten Rücklagen zurückgreifen, die glücklicherweise reichten, um gelegentlich eine kleine Reise zu unternehmen. Schließlich hatte er ein Leben lang gehofft, eines Tages einen sorgenfreien Ruhestand zu genießen. Dass ein Großteil des finanziellen Polsters bis dahin weg sein würde, wäre ihm nie in den Sinn gekommen.
    Brauns Wissen über die Natur, das er sich im Laufe von Jahrzehnten angeeignet hatte, war in Fachkreisen weithin bekannt. Und weil er sich damit in den Dienst der Allgemeinheit stellte und ehrenamtlich als Naturschutzbeauftragter tätig war, erntete er immer wieder Lob und Anerkennung. In Euro jedoch ließ sich dies nicht umsetzen. Damit galt er zwar als Vorbild für ehrenamtliches Engagement, wie es die Politiker landauf, landab propagierten. Doch wer konnte sich schon, wenn er keinen richtigen Job mehr hatte, davon ernähren? Natürlich war es für die Politiker bequem, vieles aufs Ehrenamt abzuschieben, weil damit Kosten, vor allem im Naturschutz und im sozialen Bereich, gespart werden konnten. Doch seit im Zuge der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise plötzlich Milliarden in irgendwelche Konjunkturprogramme gepumpt wurden, um den insbesondere von Bänkern verursachten Absturz abzumildern, stellte sich Braun immer öfter die Frage, woher dieser wundersame Geldregen eigentlich kam. Bis vor einem Dreivierteljahr hatte es in allen Bereichen dieser Gesellschaft geheißen, es sei kein Geld vorhanden. Aber womöglich ratterten bereits heimlich die Gelddruckmaschinen. Gewundert hätte es ihn nicht, zumal er erst kürzlich gelesen hatte, dass die USA tatsächlich neue Dollars produzierten. Braun mochte gar nicht daran denken, was dies fürs Finanzgefüge bedeutete. All die Konjunkturprogramme und Bürgschaften waren doch nichts anderes als Finanzgebilde, die auf der Hoffnung fußten, dass es wieder aufwärts gehen würde. Genau so, wie die verantwortungslosen globalen Banken-Monopolyspieler es getan hatten. Was aber, wenn der Versuch, verzocktes Geld durch neue Spekulationen zu ersetzen, daneben ging?
    Dies alles war Braun schlagartig durch den Kopf gegangen, während sein Gegenüber nach Worten suchte. Bereits heute Morgen waren sie sich beide bewusst geworden, dass sie ein ähnliches Schicksal ereilt hatte. Nur, so schien es Braun, war dieser Speidel offenbar nicht damit fertig geworden.
    »Ich möchte nur in nichts hineingezogen werden«, riss Speidels Stimme ihn wieder zurück.
    Braun sah, wie seine Frau die Küche verließ. »Wieso sollten Sie in etwas hineingezogen werden?«, fragte er verständnislos. »Wir beide haben den Mann da draußen gefunden – und fertig. Wir werden vielleicht irgendwann, wenn der Täter gefasst ist, zu einer Gerichtsverhandlung als Zeugen geladen. Damit hat sich’s aber.«
    Speidel zögerte. »Ich weiß nicht, wie ich’s sagen soll …« Er ließ seinen Blick durch das Zimmer streifen. »Aber je mehr ich darüber nachgedacht habe – heute Mittag –, umso mehr beschäftigt es mich.«
    Braun sah ihn von der Seite an und wartete, was kommen würde.
    »Es ist so …« Wieder hielt Speidel inne und spielte verkrampft mit seinen Fingern, deren Haut rau und furchig erschien. »Es ist so, dass ich beim Verhör nicht alles gesagt habe.«
    Brauns Gesicht verriet Anspannung. Er sagte nichts.

19
    Bodling hatte den BMW in die Garage gefahren und das elektrische Tor betätigt. Seit einigen Tagen blieb er im Wagen sitzen, bis es sich mit einem metallenen Klicken schloss. So lange beobachtete er mithilfe der beiden Rückspiegel die Garagenöffnung, damit sich niemand unbemerkt in das Gebäude schleichen konnte. Seit es diese Briefe gegeben hatte, fühlte er sich beobachtet und verfolgt. Auch wenn

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